Beobachtung bei Polyrhachis dives

Hier kann diskutiert und gefragt werden.

Beitragvon Chemitech » 8. Sep 2006 13:27

Bei meinen Kolonien ist es so das sie einen "Friedhof" angelegt haben.
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Beitragvon Sahal » 9. Sep 2006 19:07

Hi und Hallo,

Polyrhachis dives benötigen sehr viel Platz, sind eine agile Ameisenart und sehr aggressiv. In der Natur legt diese Art große Strecken zur Nahrungsaufnahme zurück und hat ein starkes "Ausbreitungsbedürfnis"... beidem muss in der Haltung Rechnung getragen werden!
Fehlt ihnen der nötige Auslauf, kommt es verstärkt zu Fehlverhalten bis hin zur Selbstzerstörung der Kolonie, so zB stundenlanges Herumgeschleppe von Müll oder toter Artgenossen.

Nach meiner Einschätzung:
Müll:
Müllplätze werden (zumindest im Formicarium) sehr wohl angelegt, allerdings erst bei geeigneter Beckengröße und einer "Klippenkippe" (oder Kippenklippe?), also einer Rampe, von der aus die Arbeiterinnen den Müll fallen lassen können.

Angriff der Artgenossen:
es SCHEINT so, das auch diese Aktion ein Fehlverhalten durch zu kleine Arenen ist. Die Arbeiterinnen agieren extrem aggressiv und fallen alles und jeden in Ihrer Nähe an, jeder Pinzette und jedem Halterfinger dürft das ja bekannt sein :D
Oft ist bei Störungen oder unvermuteten Berührungen durch Artgenossinnen ein kurzer Angriff auf die "Störerin" zu beobachten, der aber zumeist sofort beendet wird.
Hierbei werden wahrscheinlich Alarmpheromone freigesetzt, die einen Angriff weiterer Artgenossinnen zur Folge haben... ist also jetzt das Becken zu klein, schlecht belüftet oder schlicht zuviele Arbeiterinnen in der Nähe, kommt es zu einem Massenangriff auf die "Störerin". Besonders bei Fütterung oder externen Störungen ist dieses Fehlverhalten verstärkt zu beobachten, auch "Aufregung" innerhalb der Kolonie ist bereits ausreichend. Greift also nun eine Artgenossin an, kommen umgehend andere Arbeiterinnen zur "Hilfe" und greifen ebenfalls an (vergl. Beuteverhalten)... die Angegriffene verhält sich derweil ruhig und zeigt kaum Bewegung (zappeln = flüchtende Beute/lebender Feind = stärker Angreifen/Festhalten, mehr Artgenossinnen rufen). Lassen alle dann schnell wieder los, scheint die Trophallaxis eine "Beruhigung" oder "Bestechung" zu sein. Hält aber auch nur eine Arbeiterin fest, wird die Angegriffene wie ein Aggressor behandelt und getötet.

Erst mit ausreichender Belüftung (bei hoher Luftfeuchte) und genug Raum zum furagieren lässt dieses Verhalten schnell nach. Ca 1,5pm Fläche, gut belüftet, für eine (in der Haltung) mittlere Kolonie dürften ausreichend sein.

Entsorgung kranker Artgenossinen schliesse ich mal aus, denn Ameisen erkennen nach meinem Wissen beschädigte, erkrankte oder infizierte Imagines überhaupt nicht als solche.
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Beitragvon maze23 » 14. Sep 2006 22:01

Hallo,


@Sahal gibt es über das Verhalten zu kranken Tieren wissenschaftliche
Arbeiten?
Kann mir schlecht vorstellen das diese Tiere nicht die Fähigkeit
haben kranke Artgenossen zu erkennen. Das wäre doch für diese
Staatenbildner eher negative oder ?


mfg Matthias
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Beitragvon Sahal » 15. Sep 2006 21:53

ReHi,

zwei Dinge sollten dabei beachtet werden:
- Ameisen haben eine vollkomen andere Wahrnehmung als wir Menschen
- alle Fähigkeiten und Instinkte werden nach Aufwand/Nutzen entwickelt

Wir Menschen können Behinderungen und einige Krankheiten der Ameisen "sehen" und entsprechend auswerten, weil wir um die Symptome wissen, und auch nur WENN wir sie kennen! Selbst wir mit unserer Wahrnehmung würden evtl. sagen "Ui, die Ameisen ist ja klasse bunt gefärbt", der Wissenschaftler aber "das ist die doppeltgerillte, tibetanische Regenbogen-Milbe, hoch gefährlich":D Will sagen, Du kannst Dein jetziges Wissen nicht mit der Wahrnehmung und Auswertung der Ameise vergleichen.
Selbst wir Menschen haben extrem eingeschränkte Fähigkeiten zur Erkennung von Krankheiten, nicht umsonst gibt es Ärzte mit mühsam erlernter Diagnostik, teils mit hochentwickelter technischer Hilfe. Instinktiv jedoch erzeugen wenige Krankheiten zB "Ekel" (Form des Selbstschutzes).

Behinderungen erscheinen aus unserer Sicht als "Kostenfaktor" für die Kolonie, der ihre Effizienz beeinträchtigt. Aber selbst Ergatomorphe ohne Beine können noch für die Kolonie einen Zweck erfüllen, und sei es nur Speicherung von Nahrung und/oder Vorverdauen dieser. Ich hab zB im Moment eine 4beinige Arbeiterin, die sich brav zum Honig schleppt und diesen in die Kolonie trägt.

Nun könnten ja zumindest einige Krankheiten und "schwere Behinderungen" von der Kolonie erkannt und eliminiert werden. Das Erkennen wäre aber eine zusätzliche Fähigkeit, die erst entwickelt werden müsste. Und die Frage ist dann: lohnt es sich für ein Volk von zB 10..000 Individuen, ein oder zwei kranke/behinderte Tiere zu erkennen?
Es gibt recht deutliche Beispiele, wo sich eine Schutzfunktion als "Vorteilhaft genug" oder gar Notwendig erwiesen hat, hier zB die Sekrete der Metathorakal-Drüse mit antiseptischer Wirkung: ein Bakterien- oder Pilzbefall der Ameisenhaut (Cuticula) würde sich auf den dichtgedrängten Individuen der Kolonien rasend schnell vermehren und die Völker komplett dahinraffen. Hier erweist sich eine Anpassung so vorteilhaft, das sich der Aufwand lohnte und durch Selektion durchsetzen konnte. (Wobei die Wirkung der Metathorakal-Drüse einen Ameisenstaat eigentlich erst "Gesundheitlich" ermöglichte.)

gibt es über das Verhalten zu kranken Tieren wissenschaftliche Arbeiten?

Da muss ich passen...

Lesenswert ist auf jeden Fall der Beitrag "Behinderte Ameisen" von BUSCHINGER (ASa 3/99), hier finden sich auch weitere Quellen wie "Mißbildungen bei Waldameisen" von WISNIEWSKI (Die Waldameise 3, 1990) . Die entsprechende Ausgabe der AmeisenSchutz aktuell müsste über die DASW erhältlich sein.

Bestimmt kann "earlant" (bei Gelegenheit) die ein oder andere lesenswerte Quelle aus dem Ärmel zaubern...
Sahal
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