Sehr geehrter Herr Kalytta,
Es ist gut, dass Sie sich hier zu Wort melden.
Sollte ich mich darin getäuscht haben, dass die Pheidole spec. erst nach meiner mail an Sie als „nicht verfügbar“ gekennzeichnet wurde, so bitte ich hier öffentlich um Entschuldigung!
Ich habe das Angebot nach der Anfrage von Myrmecos 1 nicht nur einmal angesehen, und kann mich nur wundern, dass ich den Vermerk übersehen haben sollte. Mein persönlicher Eindruck war, dass das als rasche, und einzige Reaktion auf meine erste mail geschehen sei. Hätte ich den Vermerk wahrgenommen, hätte ich gefragt, ob Sie vielleicht ein paar konservierte Exemplare zur Verfügung stellen können.
Das frage ich auch jetzt noch: Sie sagen ja nicht, was mit der Kolonie („Dieses Produkt haben wir am Mittwoch, 26. April 2006 in unseren Katalog aufgenommen.“) inzwischen geschehen ist. Bei Ihren Fähigkeiten in der Haltung von Ameisen sollte sie doch seit Ende April nicht einfach gestorben sein? Vielleicht haben Sie aber ein paar Belegexemplare konserviert, die Sie bestimmen lassen könnten?
Belegexemplare aufzubewahren wäre ja bei allen von Ihnen verkauften, und besonders bei den unbestimmten, Exoten zu empfehlen, in Ihrem eigenen Interesse, und möglichst an neutraler dritter Stelle! Falls eine weitere auffällige Situation eintritt wie mit den Acromyrmex in Köln (also nur als Beispiel: Ein Pheidole-Befall in einem größeren Wohngebäude …), könnten Sie unter Umständen belegen, dass die auffällig gewordene Art NICHT von Ihnen verkauft wurde. Mit in 90 bis 100 % Alkohol konservierten Exemplaren lässt sich mittels DNS-Analyse sogar das Herkunftsgebiet einer Kolonie eingrenzen. Bei u.U. mehreren Zigtausend Euro Bekämpfungskosten wird das sogar finanziell interessant.
Übrigens: In dem zurückgezogenen Acromyrmex-thread wurde auch –von Stefan_K – geschrieben:
"Unabhängig von der ganzen Problematik hier, sollte man erwähnen, dass die Acromyrmex Kolonie um die es hier geht, wohl nicht vom AntStore stammt."
„Diese große Kolonie war meine private Kolonie, welche ich einmalig hatte, was jeder, der mich hier zu Hause besucht hat bestätigen kann.“
Das kann ich nicht wissen! Für mich, ebenso wie für die amerikanischen Kollegen und jeden anderen, der Sie nicht besucht, war sie zum Verkauf angeboten. Ob Sie eine oder mehrere Kolonien hatten, ob davon bereits welche verkauft wurden, das alles kann ja kein Außenstehender wissen.
Und selbstverständlich möchte ich unter keinen Umständen, dass Sie irgendwelche Ameisen FÜR MICH importieren! Wenn schon, aus wissenschaftlichen Gründen, muss ich ohnehin sehen, wo und wie die Tiere leben.
„aber ich muss vermuten, dass Sie diese Aktion im Anschluss an die "Atta-Affäre" von Köln aus "besonderem" Motiv heraus unternommen haben“
Das „besondere Motiv“ steht in meinen beiden mails; (auf die erste hat Herr Sebesta geantwortet). Selbstverständlich interessiert es auch mich, ob es sich bei dieser Pheidole um die invasive P. obscurithorax handelt. Die Frage wurde von „Myrmecos 1“ im amerikanischen Forum gestellt, ohne mein Zutun, wie Sie leicht im amerikanischen Forum nachlesen können.
Ich bitte auch zur Kenntnis zu nehmen, dass ich erst dann hier im Forum nach den Tieren gefragt habe, als keine Antwort auf meine mails von Ihnen kam. Laut vielen Forumseinträgen werden Sie gerühmt dafür, dass Sie auf Anfragen sehr schnell reagieren. Und der Verdacht, dass unter dem Namen „Antstore“ eine möglicherweise invasive Art verkauft wird, sollte Sie ebenso wie Herrn Sebesta eigentlich alarmiert haben. Hätte alles ohne öffentliche Diskussion erfolgen können….
Jetzt noch ein paar erklärende Worte zu den Acromyrmex von Köln, weil diese für die ganze „community“ interessant sein dürften:
„Herr Prof. Buschinger, dass Atta, oder Acromyrmex octosp. in Deutschland sich nicht einbürgern können, wissen Sie wie ich. Bei Gesprächen mit Myrmikologen und anderen Biologen wurde mir das auch bestätigt.“
- Bis zum 2. August 2006 hätte sogar ich selbst Ihnen das bestätigt, und erst gestern hat sich mir gegenüber telefonisch ein Kollege, ebenfalls erfahrener Myrmekologe, dahingehend geäußert.
Was Atta angeht, bin ich auch jetzt noch dieser Meinung (obwohl ich weiß, dass A. mexicana durchaus Frosttage übersteht).
Nachdem ich von einer
Behörde offiziell um eine Art Gutachten zu den Kölner „Atta“ aufgefordert worden war, habe ich mir zunächst Tiere zusenden lassen, um sie zu bestimmen: Acromyrmex „octospinosus“. Dann habe ich mir die Mühe gemacht, einige Literatur über diese Gattung durchzuarbeiten. Für eine behördliche Anfrage wage ich es nicht, eine „Meinung“ aus dem Ärmel zu schütteln! Sie wäre auch falsch gewesen, wie ich jetzt weiß.
Zu meiner eigenen Überraschung (ich weiß viel über Ameisen, aber eben längst nicht alles! Schon gar nicht über Gattungen, mit denen ich mich allenfalls randlich beschäftige) fand ich heraus, dass Acromyrmex eben nicht in riesigen Erdnestern leben, dass sie diverse Strukturen (Baumhöhlen, Steinplatten etc.) an der Bodenoberfläche nutzen und sogar auf Bäumen nisten können. Das erklärte mir, weshalb die Kölner Acromyrmex in Hohlräumen unter dem Fußboden des Halters nisten konnten.
Weiterhin fand ich heraus, dass einige Arten, auch aus der octospinosus-Gruppe,
nicht auf frisches Laub etc. angewiesen sind, sondern sehr wohl auch Falllaub und Bestandsabfall verwenden können. Das erklärt das Überleben der Kölner Kolonie(n) im Haus auf der Basis von Flughunde-Kot und Futterresten dieser Fruchtfresser.
Und letztlich war zu lesen, dass Arten dieser Gruppe auch in höheren Lagen auftreten, wo es ja auch in den Tropen Frost geben kann.
Diese Ergebnisse meiner Recherchen habe ich der LWK mitgeteilten und auch in dem „Atta-thread" gepostet. Was die Presse daraus gemacht hat, konnte ich nicht beeinflussen. Ich weiß z.B. bis heute nicht, wie groß die Schäden in dem Garten des Herrn Ditz tatsächlich waren: Die Berichte widersprechen sich beträchtlich. Die harmlose Schilderung von Joachim beschreibt den Zustand
nachdem „pruvex“ bereits eine massive Bekämpfung vorgenommen hatte!
Wenn ich mir aber vor Augen führe, dass es bei uns in Mitteleuropa sehr umfangreiche Gebäudeanlagen gibt, an und in denen warme „Hohlräume“ zu finden sind (Heizungskeller, Fernheizleitungen, Viehställe in der Landwirtschaft, Gewächshäuser, .....), und dass es gerade in und an etwas vernachlässigten Gebäuden sehr oft Laubanwehungen usw., im Bauernhof auch Stroh, Heu usw. gibt, so kann ich beim besten Willen nicht ausschließen, dass die eine oder andere Acromyrmex-Art hier eine Ansiedlungsmöglichkeit findet. Wenn sie dahin gebracht wird.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger habe ich dazu zu sagen.
„Kein Myrmicologe wird aber ernsthaft glauben, dass tropische Ameisenarten, welche sich seit Jahrtausenden an das dortige Klima angepasst haben bei uns plötzlich Minustemperaturen und fast ein halbes Jahr Winterruhe halten würden.“
Damit haben Sie sicher Recht. Aber wir haben bei uns eben in erheblichem Umfang quasi-tropische Lebensräume geschaffen, und das muss man bei Überlegungen zur Einschleppungsgefahr mit berücksichtigen!
Es gibt ja nicht wenige tropische Ameisenarten, die bei uns bereits daraus Nutzen ziehen: Tetramorium bicarinatum, Plagiolepis alluaudi, Monomorium pharaonis, mindestens 2 Pheidole-Arten, Linepithema humile (einmal sogar schon im Freiland angetroffen), Cardiocondyla sp., und noch ein paar mehr (ich weiß, es gibt keinen Nachweis dafür, dass die eine oder andere dieser Arten durch den Ameisenhandel oder durch Urlaubs-Sammler hier eingeschleppt wurde. ABER: Es gibt auch keinen Gegebeweis, und Ameisenhalter, die sich etwas aus dem Urlaub mitgebracht haben, gab es auch schon vor Eröffnung der Ameisen-shops).
So, und nun hoffe ich, dass dies als sachliche Information akzeptiert wird, und dass sich nicht wieder eine derart unsägliche Diskussion anschließen wird wie in dem „Atta Köln“-thread.
MfG, Earlant