Was machen Ameisen bei einem kräftigen Regenguss?
Aus: WDR5 - Leonardo - Wissenschaft und mehr. Sendung vom 03. Februar 2005. Original .pdf Skript als Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar
von Sascha Ott
Da haben sich die beiden Ameisen aus dem berühmten Ringelnatz-Gedicht ja allerhand vorgenommen. Was sie aber vermutlich nicht bedacht haben: Zwischen Hamburg und Australien liegt nicht nur eine lange Wegstrecke sondern auch jede Menge Wasser. Dass den Ameisen schon „bei Altona auf der Chaussee“ die Beine weh tun, ist also nicht das einzige Problem. Das andere ist: Können Ameisen schwimmen? Schauen wir uns die Ameisen doch erst mal etwas genauer an.
„Sie befinden sich im Moment im Insektarium der Kölner Zoos und hier vor der Blattschneiderameisen-Anlage. Das sind Staaten bildende Ameisen, die eine besondere Art der Ernährung haben. Sie schneiden nämlich Blätter und zwar nicht, um sie gleich zu fressen, sondern sie züchten mit diesen Blattstücken einen Pilz, von dem sie sich dann ernähren.“
Dr. Thomas Ziegler ist im Kölner Zoo Herr über das Reich der Fische und Insekten. Die Blattschneiderameisen laufen unermüdlich zwischen ihrem Bau und den frischen Blättern hin und her. Dabei können sie durchaus Entfernungen von einigen dutzend Metern zurücklegen. Aber könnten sie auch eine Pfütze durchschwimmen?
„Das Problem ist, dass Ameisen nicht direkt schwimmen können. Sie sind allerdings so klein und haben ein so geringes Gewicht, dass es schon recht schwierig ist, dass man sie unter Wasser drücken müsste, damit sie unter Wasser bleiben. Hinzu kommt, dass sie noch einen Haarfilm über dem Körper haben, was es also dem Wasser zusätzlich erschwert, diese Tiere zu benetzen.“
Durch die Oberflächenspannung des Wassers geht die Ameise also nicht unter – genau wie viele andere Insekten auch. Aber wie sieht die Sache aus, wenn nicht die Ameise ans Wasser, sondern das Wasser zu den Ameisen kommt? Bei einem kräftigen Wolkenbruch hat man den Eindruck, dass das ganze Erdreich unter Wasser gesetzt wird. Aber so schnell kriegen die Ameisen in ihrem Bau keine nassen Füße, erklärt Thomas Ziegler.
„Man kennt ja das Taucherglockenprinzip: Wenn man so eine Käseglocke unter Wasser hält, dass da nicht unbedingt Wasser eindringt. Und die Kapillaren im Boden, die können ähnlich wirken, dass also noch längst nicht überall Wasser eindringt. Das betrifft ja auch die andere Bodenfauna, also die Mikroorganismen des Bodens, die würden dann ja auch alle absterben und der Boden würde absterben und nicht mehr fruchtbar sein. Also das gibt es genug Nischen, wo die sich zurückziehen können.“
Viel größere Gefahr droht den Ameisen bei Regen außerhalb ihres Baus: Die fleißigen Kraftmeier sind zwar robust und können ein Vielfaches ihres
Körpergewichtes tragen. Aber wenn sie in einen einzelnen Regentropfen geraten, ist ihr Schicksal besiegelt. Denn dann wendet sich die Oberflächenspannung des Wassers, die die Ameise auf der Pfütze noch getragen hat, plötzlich gegen sie. Die Kraft, die den Tropfen zusammenhält, ist so stark, dass sich die Ameise nicht befreien kann und jämmerlich ertrinkt.
„Die atmen ja genau wie wir Luft. Die haben zwar keine Lungen, sondern man spricht hier von Tracheen. Das sind Röhrensysteme, die in den Körper eindringen. Und wenn die mal mit Wasser benetzt sind, dann ertrinken natürlich auch Ameisen und andere Insekten.“
Daher verwandelt sich die sonst so geordnete Ameisenstraße bei Regen in blankes Chaos. Die Ameisen suchen nach einem Unterschlupf, um nicht von einem der Regengeschosse erwischt zu werden. Am besten ist es natürlich, wenn sie sich gar nicht erst all zu weit von ihrem Bau entfernen. Lange Wanderungen durch die Weltgeschichte sind einfach nichts für Ameisen.



