Koloniegründung bei Camponotus ligniperda

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Koloniegründung bei Camponotus ligniperda

Beitragvon jogi » 27. Dez 2004 01:00

Zur Koloniegründung von Camponotus ligniperda:

Antstore wurde kürzlich vorgeworfen, eine wertlose C. ligniperda Königin verschickt zu haben, da diese (im November verschickt) noch keine Brut hatte und als „Starthilfe“ nur eine Arbeiterin zugesetzt worden war. Ich möchte an dieser Stelle kurz vorwegstellen, dass diese Königin auch nicht als Kolonie, sondern eben nur als Königin zu einem deutlich verminderten Preis verkauft wurde.

Normalerweise schwärmen die Geschlechtstiere dieser Art vorwiegend im Juni und sucht sich nach der Begattung einen geeigneten Hohlraum (Holz, Erde, Stein) und beginnt nach wenigen Tagen mit der Eiablage. Im Lauf von 8 Tagen werden 12 bis 20 Eier gelegt, aus denen nach 6-7 Wochen die ersten Larven schlüpfen, die, ohne noch wesentlich an Größe zuzunehmen, überwintern. Nach Ablauf des Winters wachsen sie dann und verpuppen sich. Nach 4-12wöchiger Puppenruhe (abhängig von der Temperatur) schlüpfen dann meist Ende Mai/Anfang Juni die ersten Arbeiterinnen.
Dies ist der Normalfall.
Jedoch schwärmt C. ligniperda nicht so regelmäßig nur im Juni. So wurde die verschickte Königin erst im September als „frei“ laufende Königin gefangen, stammt also aus einem viel späteren Hochzeitsflug. Solche Königinnen sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durchaus in der Lage, nach der Winterpause eigene Arbeiterinnen zu ziehen. Schließlich überwintern ja auch im Normalfall meist Larven, die kaum gefüttert wurden, also die Vorräte der Königin auch erst nach Ablauf des Winters wesentlich in Anspruch nehmen. Zudem verfügen diese Königinnen über schier unglaubliche Vorräte aus Fettpolstern und Flugmuskulatur, die ihnen ein sehr langes Überleben sichern.

Um dies etwas genauer darzustellen füge ich zum Abschluss noch einige Literaturstellen als Zitate bei, die Beobachtungen an dieser Art schildern. Aus diesen geht zum einen die ungeheuere „Koloniegründungskraft“ dieser Königinnen hervor und zeigt auch auf, dass es nur wenige feste Regeln gibt und sich selbst ein „Optimum“ nur schwer definieren lässt. Man sollte hier sehr vorsichtig mit seinen Aussagen sein!
Die Literaturstellen mögen zwar recht alt sein (es gibt sicher auch ähnliche neuere). Sie sind jedoch Beobachtungen, für die es heutzutage auch keine wesentlich besseren Voraussetzungen gibt als damals und entstammen allesamt wissenschaftlichen Arbeiten. Die "Wertlosigkeit" der Königin ist daher stark in Zweifel zu ziehen. Selbst ein erheblicher Nachteil im Koloniegründungspotential scheint unwahrscheinlich.

1.) Die Tierwelt Deutschlands, 37. Teil, Hautflügler oder Hymenoptera, I: Ameisen oder Formicidae von Hermann Stitz, Gustav Fischer Verlag 1939, Seiten 244 und 245:

„Die Zeit des Hochzeitsfluges ist verschieden, nach Forel Mai bis August.........und wird beeinflusst vom Klima und von den Witterungsverhältnissen des Standortes“

„Während der Koloniegründung vermag die Königin längere Zeit ohne Aufnahme von Nahrung auszukommen und die nötigen Nährstoffe aus den Produkten des eigenen Körpers zu beziehen.: 378 Tage nach einer Beobachtung von Eidmann, 1,25 Jahre von Viehmeyer. In einem Beobachtungsnest hielt Brun 1,5 Jahre eine Königin, das in diesem Zeitraum über 11 Monate keine Nahrung aufgenommen hatte. Es zog allerdings auch keine Arbeiterinnen auf und verzehrte später einen großen teil der Brut vor der Verwandlung. Erst als es im zweiten Jahr Futter erhielt, versuchte es in kurzer Zeit mehr Larven zur Verwandlung zu bringen.“

2.) Ökologische Studien über die Ameisenfauna des mittleren Maingebietes, Karl Gößwald, Akademische Verlagsgesellschaft Leipzig, 1932, Seite 24

„Gegen die Regel verstößt auch der Fund von 20 C. ligniperda Königinnen in kleinen Nestkammern im September ohne Eier und Larven.......Wenn die oben erwähnten 20 C. ligniperda Königinnen schon im Juni mit der Koloniegründung begonnen hätten, würden sie wohl in der Zwischenzeit Eier gelegt haben. Es scheint also, dass der Hochzeitsflug doch nicht so einheitlich sondern bisweilen......später stattfindet“

3.) Versuche über die Determination der Keimesanlage bei Camponotus ligniperda, Ferdinand Reith, Akademische Verlagsgesellschaft Leipzig, 1931, Seiten 667 und 668

Anmerkung: Er hielt C. ligniperda Königinnen ohne Nahrung bei guter Feuchtigkeit und beobachtete die Eiablage. Die Eier wurden für spätere Untersuchungen genutzt.

„Das Weibchen CaN hat in der Zeit von Juli 1929 bis Juni 1939 bei einer Pause von September bis Februar die erstaunliche Zahl von 164 Eiern abgelegt. Es stellte dann plötzlich die Eiproduktion ein, als aus einem ihm belassenen Ei (Anm.: Die anderen wurden immer nach dem Legen gleich entfernt) eine Larve schlüpfte, der von nun an die ganze Pflege gehörte. Das Tier ist heute, nach fast zwei Jahren noch am Leben und hat neuerdings, nach Verlust der Larve, die Eiproduktion wieder aufgenommen.“
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