... dies fand ich beim Stöbern...
Ameisen im Umzugsstress
von Iduna Wünschmann
Mitten am Ufer des Oder-Havel Kanals war sie beheimatet: Die größte Ameisensiedlung Brandenburgs. Aber der Kanal wird breiter und die Winzlinge drohten den Fluten zum Opfer zu fallen, deshalb mussten sie umziehen - ein aufwändiges Unterfangen ....
Ohne fremde Hilfe ist so ein Umzug kaum zu schaffen. So auch am Oder-Havel-Kanal an einem sonnigen Tag im April. Die Forstingenieurin Bianka Keil und ihre Kollegen haben festgestellt, dass insgesamt 68 Ameisennester zu dicht am Ufer liegen. Jeder einzelne dieser Haufen beherbergt Hunderte von Ameisen - ein riesiger Umzug bei dem so einiges durcheinander geraten kann. Schließlich sollen sich die Ameisen in ihrem neuen Zuhause noch zurecht finden.
Um die Ordnung der Nester zu erhalten, müssen die Forstingenieure die Bauten schichtweise abtragen und am neuen Standort umgekehrt wieder aufschütten. Dazu, so berichtet die Forstingenieurin Bianca Keil bei abenteuer erde, füllen die menschlichen Umzugshelfer zunächst die Deckschicht vorsichtig in ein Fass. Als zweites folgt die Schicht mit den Puppen und zum Schluss beziehen die Ameisenkönigin und ihr Hofstaat die vorrübergehende Behausung. Allein sieben Tonnen benötigen die Wissenschaftler pro Nest. Sicher verpackt treten die Ameisen jetzt die Reise zu ihrem neuen Wohnort an. Nach kurzer Fahrt ist die Umzugsgesellschaft an ihrem künftigen Standort angekommen. Damit sich die Ameisen möglichst schnell an den Ortswechsel gewöhnen, helfen die Forstingenieure beim Einrichten. Schließlich war das alte Nest mehr als einen Meter tief. Jetzt heißt es also graben - da kommen Bianka Keil und ihre Kollegen schon mal außer Atem. Doch schließlich ist es soweit: das Ameisennest kann wieder aufgebaut werden. Doch die Ameisen merken offenbar sofort, dass sie woanders sind. Nichts scheint mehr am richtigen Fleck zu liegen. Und Hektik bricht aus. Gerade die Wärme bedürftigen Puppen müssen schnell ins Innere des Baus gebracht werden. Denn nur ein einziges Mal im Jahr reifen in ihnen neue Königinnen und begattungswillige Männchen.
Bei allem Umzugesstress ist also Eile geboten. Denn der Hochzeitsflug naht - der einzige Höhepunkt im Leben der Königinnen. Mit der Befruchtung bekommt die Majestät den Samenvorrat für ihr ganzes Leben - und das sind mehr als 20 Jahre. Jetzt legt sie nur noch Eier - 30 Stück am Tag. Die Aufzucht der Puppen übernehmen dann die Innendienstler. Eine wichtige Aufgabe: Schließlich bilden die Millionen unfruchtbarer Arbeiterinnen das Rückgrat jedes Ameisenvolkes.
Gleich nebenan arbeiten die Ameisen emsig am Aufbau des Nestes. Bianka Keil und ihre Kollegen haben doch nicht für jedes Stöckchen den richtigen Platz gefunden. Kammern und Tunnel entstehen und Luftschächte werden neu installiert. Immer neues Baumaterial schleppen die Arbeiterinnen heran. Dabei bewegen die Winzlinge teilweise das 20fache ihres Eigengewichts. Eine enorme Leistung: umgerechnet auf den Menschen entspricht das einem Gewicht von zwei Autos. Jetzt werden noch die Löcher im Nest gegen Feuchtigkeit und Kälte verstopft. So herrschen tief im Ameisenbau - unabhängig von der Außentemperatur - beständige 25 Grad.
Auf der Ameisenstraße ist derweil Hochbetrieb. Die Jägerinnen kehren mit Beute zurück. Bis zu 100.000 Insekten schleppen sie pro Tag in den Bau. Und neben Tausendfüßern stehen auch Pflanzenschädlinge wie Kiefernspinner, Eichenwickler und Blattwespe auf dem Speiseplan der Ameisen. Draußen auf der Weide tummeln sich die Sammlerinnen. Sie sorgen für das Leibgericht: den Honigtau der Läuse. Um an die begehrte Nahrung zu gelangen melken sie die Läuse wie Kühe. Und nur wo es ausreichend Weidgründe gibt, bauen die Ameisen ihr Nest.
Einige Monate später sieht Bianca Keil noch mal nach ihren Schützlingen. Jetzt will sie wissen, wie die Ameisen den Umzugsstress verkraftet haben. Bei Nest 63 scheint alles in Ordnung. Die anderen sind allerdings nicht mehr an Ort und Stelle. Doch die meisten sind nur ein Stück weitergezogen. Vielleicht fehlte es ihnen an Feuchtigkeit, mutmaßt die Forstingenieurin.
Quelle: hr Fernsehen - Abenteuer Erde
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