Neues Märchen über Waldameisen
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Sendung vom 20.08.2006
Die Flucht der Ameisen
Ameisen richten ihre Bauten stets nach Brüchen in der Erdkruste, so genannten "Störungslinien" aus. Diese spektakuläre Entdeckung machte der deutsche Geoforscher Prof. Ulrich Schreiber von der Universität Duisburg-Essen. Er will die Bauten der Waldameisen als Indikatoren für geologische Aktivitäten wie Vulkanismus nutzen. Was ist dran an Schreibers Ideen? W wie Wissen geht der Sache auf den Grund.
Der Geologe Ulrich Schreiber ist einem Phänomen auf der Spur. Ein Phänomen, das auch für ihn als gestandenen Wissenschaftler fast unglaublich scheint: Waldameisen haben möglicherweise einen Riecher für Orte, an denen sich Erdbeben bilden können. Was zunächst wie Spinnerei klingt, glaubt Ulrich Schreiber in der Natur nachweisen zu können. In der Verlängerung eines Quarzfelsens führt er uns durch das Dickicht zu einem Beleg seiner ungewöhnlichen Theorie, eine Ameisenhaufen.
Ameisen als Geologen
"Die Teufelsley - ein typischer Quarzfelsen befindet sich jetzt 200 Meter in nördlicher Richtung von hier. Wir können das mit dem Kompass sehr genau einpeilen und die Verlängerung der Teufelsley, ist eine Störungszone, die höchstwahrscheinlich gasführend ist und die Ameisen nutzen diese Störungszone", erklärt Schreiber. Unter "Störungszonen" verstehen die Wissenschaftler unterirdische Risse in der Erdkruste, die sich bei einem Erdbeben gegeneinander verschieben können.
In Form von Felsformationen wie der Teufelsley in der Eifel treten sie ans Tageslicht. Aus der Vogelperspektive wird dieses Riss-System durch die Bauten der Ameisen deutlich. Waldameisen scheinen ihre Bauten in einer Linie entlang solcher Störungszonen zu errichten, wie eine Karte von Ulrich Schreiber aus Nordrheinwestfalen zeigt. Jedes rote A steht für ein Ameisennest. Und tatsächlich liegen alle Nester entlang einer solchen geologischen Störung.
Auch im Südschwarzwald wird die Beziehung deutlich: Die grün markierten Nester orientieren sich an den blau eingezeichneten geologischen Linien. Links und rechts davon ist kein Nest zu finden.
Ulrich Schreiber ist sich sicher, dass seine Beobachtungen kein Zufall sind. Doch warum siedeln die Winzlinge entlang der Risse in der Erdoberfläche? Und - wie können sie diese überhaupt wahrnehmen?
Gase aus dem Erdreich
Einen Hinweis liefert die Teufelsley. Sie ist durch eine tiefe Spalte geteilt, wie alle Störungslinien. Und diese geologische Besonderheit hat eine ganz typische Eigenschaft. Durch die Spalten steigen Gase aus tieferen Erdschichten auf. Nutzen die Ameisen womöglich diese Gase, um ihre Bauten an den Spalten zu orientieren? Dazu müssten sie in der Lage sein, die Gase wahrzunehmen.
Die Forscher wollen das überprüfen. Über einem bekannten Riss in der Erde nimmt das Geologen-Team Gasproben. Im Labor soll später überprüft werden, ob die Ameisen auf das Gas reagieren. Wenn das Experiment gelingt, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass Ameisen erdbebengefährdete Zonen erkennen können. Und für die Geologen noch interessanter: Ameisenhaufen könnten vielleicht sogar bisher unbekannte Gasvorkommen anzeigen.
"Wir können erst mal nur das Helium messen", sagt Schreiber, "das Helium ist für uns ein Anzeiger, für die Störung. Wir wissen nicht, was die Ameisen letztendlich auf der Störung machen. Es kann sein, dass sie andere Gase nutzen, oder sonst irgendeinen anderen Vorteil haben."
Geruchs- Experiment
Gemeinsam mit dem Biologen Stefan Hetz von der Humboldt-Universität Berlin wollen die Geologen Waldameisen mit den Gasproben aus dem Freiland konfrontieren. Ein paar hundert "Probanden" haben sie dazu in die Hauptstadt mitgebracht. Und auch die Luft aus der geologischen Störung ist im Gepäck. Für den Versuch müssen ein paar Ameisen ihr nadeliges Zuhause gegen eine Kammer aus Plexiglas austauschen. Am Computer soll sichtbar werden, was im Inneren der Kammer passiert. Denn die wird in einen hermetisch abgeschlossen Raum gestellt.
Nur ein kleiner Schlauch verbindet die Tiere mit der Außenwelt. Durch ihn wird die Gasprobe zu den Ameisen geleitet. Ein paar Minuten vergehen, dann zeigt sich ein erstes Ergebnis. Die Aktivität der Ameisen sinkt kurz nach der Zufuhr des Gases. Das Gas ist weder betäubend noch giftig für sie. Warum werden sie also für einen kurzen Moment ruhiger? Ist das vielleicht eine positive Reaktion auf das Gas? Können die Ameisen tatsächlich die Störungslinien riechen?
Mehr als bloße Vermutung
"Es ist durchaus möglich, dass Ameisen mit ihren Antennen gasförmige Stoffe in der Luft aufnehmen können und zwar in einer unendlich kleinen Verdünnung. Und das ist durchaus möglich, dass die nach diesen Störungslinien suchen", sagt Biologe Hetz.
Wir fassen zusammen: Karten mit eindeutigen Belegen! Gase, die aus dem Erdreich kommen und: Insekten mit erstaunlichen Fähigkeiten. Warum die Ameisen Ihre Nester entlang von Rissen in der Erdkruste bauen, bleibt vorerst ein Rätsel. Aber womöglich hält die Natur hier noch weitere Überraschungen für die Forscher bereit.
(Autor: AxelWagner)
Links:
Die Flucht der Ameisen
Hier stellt Ulrich Schreiber sein Buch vor, das die Forschungen an den Zusammenhängen zwischen Ameisennestern und der Geologie zu einem spannenden Roman verknüpft.
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KRITIK:
Als Ameisenforscher mit sehr langer Erfahrung halte ich diese Darstellung zunächst einmal für völlig unbewiesene, ja reißerische Spekulation.
Waldameisen siedeln KEINESFALLS nur entlang von Störungslinien im Gestein. Unzählige Nester finden sich auf tiefgründigen Moorböden, oder in den Wäldern in der Oberrheinebene auf bis zu 3.000 m mächtigen Sedimenten. Wo sind da die Klüfte?
Im Odenwald kenne ich tatsächlich auffallende Reihen von Ameisenhügeln, die offensichtlich auf lang gestreckten Klüften des ansonsten recht kompakten Gesteins angeordnet sind. Der Boden ist über dem anstehenden Fels relativ dünn. Meine Erklärung (die Herr Schreiber auch von mir erfahren hat): Nur in den Klüften können die Ameisen hinreichend tief bauen, nur darin können sie in Zeiten anhaltender Trockenheit noch genügend Feuchtigkeit vorfinden! Ein Waldameisenvolk muss ja ganzjährig und über viele Jahre ununterbrochen geeignete Lebensbedingungen haben. Erst wenn solche ganz natürlichen und alltäglichen Faktoren wie die zuverlässige Erreichbarkeit von Wasser bzw. Bodenfeuchtigkeit ausgeschlossen sind, kann ein Wissenschaftler über andere, bisher nicht erfasste Faktoren spekulieren.
Gase aus Erdspalten, Erdbebengefahr, Ameisen, die darauf mit Flucht reagieren, das ist eine Mixtur von Reizthemen, die hier wohl hauptsächlich den Absatz des im Artikel genannten Buches von Herrn Prof. Dr. Ulrich Schreiber ankurbeln sollen.
Das hat mit Wissenschaft nur den Namen gemein; bis zum Vorliegen wirklicher Beweise und bis zur überzeugenden Widerlegung der genannten Gegenargumente halte ich dieses Buch und die „wissenschafliche“ Verbrämung dazu schlicht für Science Fiction. Es gehört in dieselbe Kategorie wie die uralte und immer wieder aufgewärmte Behauptung, dass Waldameisen (warum eigentlich nur diese?) ihre Nester „immer“ auf „Reizzonen“, "Feldern" oder dergleichen anlegen, die physikalisch nicht messbar sind, jedoch von auserwählten Wünschelrutengängern „zuverlässig“ bestimmt werden können. Auch dafür wurde nie ein Beweis erbracht, schon gar nicht von den Wünschelrutengängern selbst.
(Prof. Dr. Alfred Buschinger)