Hallo Ameisenfreunde,
Hier möchte ich euch regelmäßig von der Entwicklung meiner Pheidologeton diversus Kolonie berichten. Auf Hintergrundinformationen verzichte ich, in der Hinsicht wurde schon enorme Pionierarbeit in diesem Forum geleistet.
Diskussion hier
Erstmal einen Übersicht des Beckens:
Der Boden setzt sich aus einigen Zentimetern Tongranulat und Kies zusammen, die mit einer Schicht aus Lehm/Sand bedeckt ist, um den Ameisen die Inneneinrichtung des Ytongs zu ermöglichen.
Belichtet wird mit einer ( auf dem Bild nicht sichtbaren ) dimmbaren Halogenlampe. Der Lichtkegel fällt außen auch auf die Seite des Ytongnestes, um in dem Stein das nötige Temperaturgefälle herzustellen. Belichtungsdauer beträgt 12 Stunden, angelegt an ihrem Herkunftsland in Äquatornähe. Der Deckel hält die Temperatur im gesamten Arenabereich auf 23-26 °C, im auf der Steinoberfläche etwas wärmer. Nachts wird das Licht gedimmt, wobei ich darauf achte die Temperatur nicht unter 20-22 °C fällt. Auf das in dem abgetrennten Bereich am linken Beckenende zu sehende Heizkabel habe ich nachher verzichtet, da es sich nicht als effektiv erwies. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei >60 % und steigt nachts. Der Eingang des Ytongsteins liegt unten links an der Scheibe, leider auf den Bildern nicht gut zu erkennen. Er führt tiefer in eine kleine "Wachkammer", dahinter verzweigt er sich zu den restlichen Kammern. Vom Aufbau habe ich leider keine Bilder, die rote Folie lässt keine vernünftigen Schnappschüsse zu, und mit zu viel Licht will ich den Ameisen nicht auf den Nerv gehen - Ich hatte leider bei dem Bau noch keine Kamera zur Verfügung. Einige Teile der Kammern habe ich tiefer gelegt als den Rest der Kammer, um das Volumen des Nestes zu vergrößern. Von außen habe ich den Stein mit einer Steinfeile bearbeitet, damit er nicht ganz so quadratisch aussieht:
Von oben sind die beiden Kiesgefüllten Wassergräben zu sehen, beide etwa 4cm tief.
19.04:
Die Ameisen sind heute angekommen!
Meine Freundin und ich haben uns vorplanend die nächsten Tage von der Uni frei genommen, um die Kleinen "einzuleben".
Trotz großer Freude sitzt im Hinterkopf die Sorge, etwas Falsch zu machen - viele traurige Berichte haben ihren Eindruck hinterlassen. Vorsichtig wird das Reagenzglas (im folgenden "RG") in der Nähe des Ytongs platziert und vor direktem Licht geschützt - es ist von innen etwas verdreckt, und so haben wir keine Ahnung was uns erwartet. Nach dem Öffnen des RGs durchsuchen Arbeiterinnen in kleinen Trupps das gesamte Becken, der Ytong wird schnell entdeckt und stundenlang intensiv unter die Lupe genommen - erster Hoffnungsschimmer, das ihnen das neue Nest vielleicht gefällt. Beim Blick in das Reagenzglas ist leider auch durch die Öffnung kaum etwas zu erkennen, nur gaaaanz hinten sind vage helle "Punkte" zu erkennen, die Brut? Stundenlang pressen wir die Nase an die Scheibe, das aktive Gewusel überall im Becken lässt auf einen guten Zustand der Kolonie hoffen, erstes Aufatmen. Vereinzelt starten die Arbeiterinnen Kletterversuche an den Glasscheiben, geben das aber spätestens beim Erreichen der Melkfettbarriere auf (oder plumpsen wenig ästhetisch hinab.) Nachdem etwa 4 Stunden lang der Ytong inspiziert wurde, taucht eine Ameise mit einem kleinen weißen "Krümel" zwischen den Mandibeln auf, dieser Entpuppt sich bei näherer Betrachtung tatsächlich als ein Ei! Weitere Ameisen mit Nachwuchs im Schlepptau folgen - wird das wirklich ein Umzug?? Ja, wurde es! Ein wahrer Strom an Brut folgte, und langsam wurde es leerer im RG - ein größerer schwarzer Fleck am Wassertank wurde sichtbar - Queen Mom! Kaum entdeckt, setzte sie sich langsam in Bewegung, und kam kurz darauf ins Licht - was ein Anblick!
Geistesgegenwärtig wurde ein (leider sehr unscharfes) Video geschossen. Das, was mich mit am meisten fasziniert, erkennt man jedoch: die besondere Art der Königin, sich fortzubewegen! Zwischen ihren Füßen und auf ihr düsen die unglaublich kleinen Arbeiterinnen hin und her, und Majestät schreitet mit würdevoller Langsamkeit über sie hinweg wie Godzilla über eine Kleinstadt:
Hier zum Video
Die Schönheit der Königin hat einen enormen Eindruck hinterlassen, noch dazu in der Vermutung, dass das die einzige Begegnung mit ihr außerhalb des Nestes werden sollte! (Denkste!)
So ein Umzug ist ja auch bei Familien mit weniger Mitgliedern stressig, daher dachten wir, ein Snack würde der Kolonie sicher gut tun. Ein Heimchen (und einige Stunden später ein Mehlwurm) wurde fachgerecht von uns in 3 Teile zerlegt ( Soldaten zum Knacken des Panzers sind keine vorhanden ) und verfüttert, diese wurden sofort angenommen und in den Ytong transportiert.
Bilanz des Tages: 3-4 tote Arbeiterinnen, die ziellos durch das Becken und ins Nest getragen werden- sie wurden aus dem RG getragen, ich schreibe sie mal dem Transportstress zu. An das Zählen der Brut hat bei all der Aufregung natürlich niemand gedacht, Chance verpasst (wieder: Denkste!). Die Königin hat sich mit ihrer Brut in der tiefsten Kammer eingenistet, sie hat beim Umzug einen vitalen Eindruck gemacht. Kleine Straßen zu dem Wassertank des RGs werden in Betrieb gehalten, ebenso zu feuchteren Gebieten des Beckens- Die im Antstore angebotene Tränke mit passendem Schwamm wird ignoriert. Mit dem Gefühl, dass Schwert des Damokles hinge nun etwas weiter weg, beenden wir den Tag.
20.04:
Nächster Morgen: sofort nach dem Aufwachen trotten wir mit verschlafenem Blick zum Becken und linsen unter die schwarze Folie ins Nest. Der große Schock :
Königin, Brut und Arbeiter futsch, Stimmung kracht durch den Fußboden, Seelenheil in Gefahr. Wenig Außenaktivität (Lampe ging grade an), bei näherer Betrachtung war der komplette Staat zurück ins RG gezogen. Fehlersuche. Einzige Erklärung: Nest zu trocken. Beleg für diese These sah ich in den Wasserstraßen des Vortages. Hatte den Stein in der Testphase zu feucht gemacht, und nach Tagelangem Lüften wohl zu sehr auf Sparflamme befeuchtet. Also veranstalten wir einen tropischen Regenschauer und bringen das Nest wieder auf eine ameisenverträgliches Feuchtigkeitsniveau. Angstvoll suchen wir nach eventuellen Dürreopfern, aber die blieben zum Glück aus. Anfänglich wurde das Ytongnest zwar besucht, doch das Interesse stieg mit der Feuchtigkeit deutlich. Nach dem Schock brauchten die Ameisen und wir erstmal was zu essen - Frühstück für uns und ein Heimchen für die Ameisen. Dieses war diesmal der Länge nach aufgeschnitten. Die Reaktion der Ameisen war nun heftiger als auf die kleinen Stückchen, die Arbeiterinnen sind mit atemberaubender Geschwindigkeit in einem großen Trupp auf das Heimchen losgestürmt und haben es in beeindruckendem Teamwork ins RG gebracht. Na, wenigstens Hunger war noch da! Einige Stunden später haben wir noch einen Mehlwurm, ebenfalls längs aufgeschnitten, angeboten, der wurde allerdings zugebaut. Bis zum Abend passierte nichts, aber die Königin wirkte in ihrem RG noch recht aktiv. Kurz vor Mitternacht, als die stress abbauenden Maßnahmen (
) langsam anschlugen, blickten wir noch einmal ins Becken und sahen, dass eine Arbeiterin in genau dem Moment mit einem Ei am Eingang des RGs zu sehn war. Also pressten wir wieder unsere Nasen ans Glas - mit der nächstbesten Unterlage (einer Medikamentenpackung) begannen wir eine Strichliste über die Brutmenge zu verfassen. Es schien, als seien zuerst die Eier, dann Puppen und Larven ins neue Nest gebracht worden zu sein, am Ende folgten zwei deutlich größere Eier (vielleicht Soldaten) - Insgesamt waren es knapp 110 Tiere in allen verschiedenen Entwicklungsstadien! Zum Schluss kam wieder die Königin im selben Prunk wie am Vortag, mit prallem Gaster. Die Außenaktivität zu den Wasserstraßen nahm ab und dem Reagenzglas wurde auch keine Beachtung mehr geschenkt, deshalb wird es wohl wirklich zuvor an einer zu geringen Befeuchtung des Nestes gelegen haben, dass sie ausgezogen sind. Die Partylaune war wieder hergestellt
und das Karma auf dem Weg nach oben.
21.04:
Aufwachen, diesmal deutlich aufgeweckter zum Becken gewetzt und nach weiteren nächtlichen Umzugsaktivitäten Ausschau gehalten. Nichts! Alles da, wos sein sollte. Es gab ein mittelgroßes Heimchen zu futtern, das wurde auch zugebaut. Ein fester Müllhaufen oder Friedhof wurde noch nicht etabliert, und so wird der ganze Müll samt der Toten konstant neu im Becken verteilt. Inzwischen wird fleißig Baumaterial in den Ytong getragen und die Kammer um die Königin ausgebaut. Die Anzahl an Arbeiterinnen zu schätzen fällt schwer, ich denke es werden zwischen 70 und 80 sein, hoffentlich werden sie mit der Aufzucht der enormen Brutmenge nicht überfordert. Wasserquellen werden ignoriert, das RG wurde nicht mehr besucht, worauf es entfernt wurde. Als Ersatz (der Wassertank war fast leer) haben wir ein neues Glasröhrchen genau so hergerichtet und am selben Ort platziert. Die Außenaktivität beschränkt sich auf das Sammeln von Substrat für das Nest.
Bald mehr,
*mit Knoten in allen Daumen*
Necturus