Hallo zusammen,
heute nun möchte ich über unseren Pilzbecken Umzug der Atta cephalotes Kolonie berichten.
Wie ich bereits erwähnte, ist dieses notwendig geworden, da das alte Becken aus den bereits beschriebenen Gründen nicht mehr den Anforderungen entsprach und unbedingt ausgetauscht werden musste.
Dies bedeutete natürlich in erster Linie totaler Stress für die Kolonie, aber auch wir waren nicht minder aufgeregt, wollten wir den Umzug doch für die Ameisen so schonend wie möglich über die Bühne bringen.
Alle notwendigen Utensilien wie Schlauch, Schlauchadapter zum Glasbecken, Sammelbehältnisse für "Flüchtlinge" (als Ausbruchsschutz am oberen Rand einen Ölfilm aufgetragen), Federstahlpinzetten, Stöpsel zum vorübergehenden Verschließen der Becken etc. und natürlich das Wichtigste, das neue Becken, wurden bereitgestellt und jeder einzelne Handgriff wurde nochmal durchgesprochen und in der Theorie durchgespielt. Mal sehen, ob die Ameisen unseren theoretischen Plan auch praktisch unterstützten.
Wir waren noch in der theoretischen Planung, als die Tür aufging und "Gorilla" zufällig vorbeikam. Was lag da näher, als ihn zu fragen, ob er uns bei dem Umzug hilft. "Na klar", sagte er "mach' ich". Und wir waren natürlich froh, denn je mehr Hände bei der Umzugsaktion zur Verfügung standen, umso optimaler, schneller und schonender konnte alles vonstatten gehen.
Na prima - nun konnte es ja losgehen! Das neue Becken wurde ebenfalls vorbereitet. Als Ausbruchsschutz wählten wir auch hier einen Ölfilm. Dies hatte sich auch bei den anderen 3 Becken am besten bewährt. Okay, man muss diesen Ölfilm regelmässig erneuern, aber PTFE hat die Eigenschaft, sich bei feuchtwarmen Klima teilweise von den Glaswänden abzulösen, ansonsten bevorzugen wir auch PTFE! Wir haben im neuen Becken bewusst kein weiteres Bodensubstrat eingebracht, da die Ameisen Bodensubstrat im alten Becken nach und nach entfernt haben. Sollten sie dieses nun doch benötigen, so haben sie die Möglichkeit, Bodensubstrat aus dem Nachbarbecken ins Pilzbecken zu verbringen.
Das alte Becken wurde nun leicht vorgezogen, und das neue Becken in Position gebracht. Dann nochmal tiefdurchatmen... uff, wird's gutgehen... was erwartet uns? ... Herzklopfen! Nochmal tiefdurchatmen... bis drei zählen.... und dann ging es ruckzuck los.
Verbindung zu den anderen Becken unterbrechen und mit einem passenden Stöpsel verschließen. Sofort war entsprechender Alarm bei den Ameisen im Verbindungsschlauch. Wir haben eine Öffnung des Verbindungsschlauches erstmal verschlossen, um die andere Öffnung kontrolliert in eines der drei anderen Becken nach Öffnen des Deckels zu halten, damit die Ameisen dort hinein gelangen konnten. Natürlich war die Aufregung sowohl auf Seiten der Ameisen als auch auf unserer Seite recht groß. Wir mussten den Ameisen natürlich ein wenig Hilfestellung geben, damit sie in das vorgesehene Becken gelangen konnten. Aber irgendwann war auch die letzte Ameise aus dem Schlauch in das Becken gekommen.
Puh, das war erstmal geschafft. Erstes aufatmen, aber das Schwierigste kam ja noch - das Pilzbecken.
Die Aufregung sowohl im Pilzbecken, als auch im angrenzenden Becken war nicht zu übersehen. Es herrschte Alarmstimmung bei den Ameisen und man sah, dass jede Ameise durch entsprechenden Einsatz sich dieser Situation zu stellen versuchte und ihr bestmöglichstes gab... es war ein einziges aufgeregtes Gewusel. Die Anspannung stieg, denn jetzt hieß es sich an's Pilzbecken zu wagen... Handschuhe wurden übergestreift, sich selbst in Position gebacht, wieder tiefdurchgeatmet und bis drei gezählt und dann den Deckel erst vorsichtig, dann aber ruckartig geöffnet und dann hieß es schnell handeln... beherzt griffen Martin und Gorilla ins Pilzbecken und versuchten so schonend wie möglich den Pilz zu greifen und ihn umzusetzen. Mir oblag es, mich um das Gewusel auf dem Deckel zu kümmern.... hier herrschte natürlich Aufregung pur. Der Pilz wurde blitzschnell ins Becken verbracht und auch hier war totale Panik... Verständlich! War unser zwar gutgemeinter Eingriff doch aus der Sicht der Ameisen ein Angriff mit höchster Alarmstufe. Puh geschafft... unsere Köpfe waren leicht gerötet vor Aufregung und Anstregung....der Pilz war umgesetzt... und das Schwierigste somit gemeistert. Nun mussten wir uns um die Ausreißer kümmern, denn es war uns von Anfang an klar, dass es nicht ganz ohne "Flüchtlinge" gehen wird. Wir hatten uns ja auch entsprechend vorbereitet. Der alte Deckel war inzwischen von den Ameisen befreit und in die neue Örtlichkeit verbracht. Nun widmeten wir uns dem alten Becken, wo ebenfalls noch ein entsprechendes Gewusel zu beobachten war. Auch Pilzreste waren verständlicherweise noch vorhanden und wurden von den aufgeregten Arbeiterinnen, teilweise für uns Beobachter orientierungslos aussehend, umher getragen. Wir gaben Hilfestellung und haben Ameise für Ameise, teilweise eben mit Pilzresten, ins neue Becken umgesetzt. Auch viele Soldaten befanden sich noch im alten Becken. Vor denen habe ich doch einen gewissen Respekt
und nahm daher die Umsetzung ins neue Becken mit einer Federstahlpinzette vor. Mit den Arbeiterinnen bin ich jedoch schon sehr per "Du" und so greife ich sie liebevoll zum Umsetzen mit den Fingern. Das klappt wunderbar und sie nehmen es mir offensichtlich auch nicht sonderlich übel.Wenn ich sie dann vorsichtig zwischen zwei Fingern halte, kann man beobachten, wie sie ihre Mandibeln aufgeregt hin- und herbewegen. Erstaunt hat mich die Konsistenz des Pilzes. Ich wusste, dass er schwammartig ist, hatte aber dennoch eine festere Schwammkonsistenz vermutet. Er ist sehr filigran und berührungsempfindlich.
Nun hieß es sich um die zahlreichen "Flüchtlinge" zu kümmern, die sich sowohl im alten Becken, als auch auf dem Fußboden befanden und sich offensichtlich voller Aufregung um Kontakt zur Kolonie bemühten. Man konnte beobachten, dass einige Arbeiterinnen auch Pilzanteile zwischen ihren Mandibeln trugen, um diese zu retten und in den Bereich des Pilzes zu verbringen. Es herrschte verständlicherweise volle Aufregung, aber wiederum hatte man den Eindruck, dass trotz des augenscheinlichen Chaos' jede Arbeiterin wusste, welche Aufgabe sie zu übernehmen hat. Trotz des Chaos herrschte auch eine für mich schwer nachzuvollziehende Ordnung. Wahnsinn - das Verhalten der Ameisen in dieser für sie äusserst stressigen Situation beobachten zu können.
Es war natürlich entsprechend zeitintensiv, auch die restlichen Ameisen an ihren neuen Ort zu verbringen. Immer wieder tauchten Arbeiterinnen auf, die offensichtlich einer Duftspur folgten und den Kontakt zur Kolonie suchten. Liebevoll ins neue Becken verbracht, nahmen die Arbeiterinnen ohne zögern sofort ihre Tätigkeit auf, um sich um den zwar schonend umgesetzten, aber doch nicht in Ursprungsform verbliebenen Pilz zu kümmern. Diese ganze Prozedur nahm ca. 3 Stunden in Anspruch. Aber es war erstaunlich zu beobachten, wie sich die Ameisen im Pilzbecken sofort daran machten, zu sondieren und zu reparieren. Natürlich herrschte nach wie vor Aufregung mit höchster Alarmstufe, aber die Arbeiterinnen waren emsig und sehr bemüht die abgebröckelten Pilzanteile wieder in Pilznähe zu verbringen und dort zu integrieren.
Nun kam der Zeitpunkt, wo auch die Verbindung zu den anderen 3 Becken wieder hergestellt werden sollte. Auch hier hieß es beherzt und schnell zu handeln. Die Stöpsel wurden ruckartig entfernt und stattdessen der Schlauchadapter/Schlauch ebenso ruckartig angebracht. Diese Aktion lief optimal. Es gab nur ganz wenige "Flüchtlinge", die schnell wieder liebevoll ihrer Kolonie zugeführt worden sind und auch sofort ihre Tätigkeit innerhalb der Kolonie aufnahmen. Ein beeindruckendes Bild!
Die Aufregung innerhalb der Kolonie hielt noch ein Weilchen an. Klar, war dies doch ein einzigartiger Eingriff, der das Leben der Kolonie durcheinander brachte und entsprechende Alarmaktivitäten zeigte. Aber bereits am nächsten Tag hatte sich diese Aufregung größtensteils gelegt und statttdessen konnte ich beobachten, wie sich die Arbeiterinnen damit beschäftigten, die angebotenen Brombeerblätter und Obst zu verarbeiten. Im Bereich des Pilzes war weiterhin entsprechende Aktivität zu beobachten. Abgestorbene Pilzanteile wurden entsorgt und die vorbereiteten, kleingeschnitttenen Blätter ins Pilzbecken zur weiteren Bearbeitung transportiert. Ein gutes Zeichen! Zeigt es doch, dass die Kolonie durch die Umsetzungsaktion zwar in Aufruhr geraten ist, aber sich dennoch situationsgemäss verhalten und um den Fortbestand der Kolonie bzw. Pilzes gekümmert hat.
Heute sieht man nun , dass die Blätter weiterhin ins Pilzbecken zur Verarbeitung transportiert werden, und das auch wieder trotz aller Aufregung eine gewisse Ruhe eingetreten und ein kontinuierliches "Aufbauprogramm" zu beobachen ist.
Eifrig werden geschnittene Blätter reingetragen. Eines muss ich aber sagen - weiss nicht, ob die Ameisen das genauso sehen - aber die Qualität der Brombeerblätter lässt jahreszeitenbedingt doch allmählich sehr zu wünschen übrig. Ich denke mal, so ein frisch gewachsenes, knackiges, frischgrünes Frühjahrsblatt wird sicherlich auch lieber von den Ameisen angenommen, als so'n doch in die Tage gekommenes Winterblatt. Ich biete ihnen zwar auch z.B. Liguster-Blätter an, aber ich habe schon das Gefühl, dass ihnen Brombeerblätter immer noch am liebsten sind und mein Obst wie Äpfel, Birne, Weintrauben teile ich gerne mit ihnen.
Wenn ich Weintrauben anbiete, habe ich schon des öfteren beobachtet, dass sich daran insbesondere die Soldaten laben. Habe so für mich festgestellt, dass das Einbringen von entsprechender Feuchtigkeit in das Beckensystem am Besten durch das Abspülen der Blätter geht. Sollte ich feststellen, dass dies nicht ausreichend ist, so wird natürlich noch zusätzlich gesprüht.
Na ja, wollen wir mal hoffen, dass der Frühling irgendwann auch mal in die "Puschen" kommt, und wir den Blattschneidern auch wieder frisches Blattgrün anbieten können.
So, ich hoffe, es hat Euch ein wenig Spass gemacht, auf diese Weise einen Pilzbecken-Umzug mitzuerleben.
Viele Grüsse