Das Formikarium in der Handtasche

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Das Formikarium in der Handtasche

Beitragvon Martin S. » 30. Okt 2005 11:52

Ich bedanke mich bei Frau Dr. Katrin Möller für die Erlaubnis zur Nutzung Ihres Artikels aus dem Ameisenschutz aktuell 03/04 Seite 73 "Das Formikarium in der Handtasche"

[align=center]Das Formikarium in der Handtasche
[font=Times New Roman]von Katrin Möller & Manfred Waurick[/font][/align]

Mit großen Formikarien haben nicht nur in Brandenburg inzwischen mehrere „Betreiber“ sehr gute Erfahrungen gemacht hinsichtlich der Möglichkeit, Interesse und Begeisterung für Waldameisen zu wecken. Für unsere Veranstaltungsangebote im „Grünen Klassenzimmer“ auf der Landesgartenschau in Eberswalde 2002 schien uns ein solches eher ungeeignet, da ein ständiger Hin- und Hertransport nicht in Frage kam und die kontinuierliche Pflege dort auch schwer abzusichern war.
Angeregt von den in „Ameisenschutz aktuell“ (13/1, S. 1 – 15) vorgestellten Kleinformicarien für Lasius niger beschlossen wir, es mit einer sochen Variante zu versuchen, denn krabbelnde Ameisen sollten schon mit ins „Grüne Klassenzimmer“. Die Überlegung, ein Formikarium zu bauen, das klein, relativ stabil, gut einsehbar, einfach zu pflegen und leicht zu transportieren ist, endete bei einer Konstruktion aus Holzleisten, Rigipsplatten und Acrylglasscheibe (Abb. 1).

Hauptstück des Formikariums ist eine Rigipsplatte mit den Maßen 250 x 150 x 12,5 mm. Auf die Platte wird ein Plan der mit Gängen vernetzten Kammern aufgezeichnet. Wir haben die großen Kammern mit einem Forstnerbohrer und die Gänge mit Handfräse (6mm, Tiefeneinstellung 8mm) herausgearbeitet. So entsteht für Ameisen ein kleines Labyrinth. Für die Zugabe von Futter ist es günstig, eine kleine Kammer so am Rand zu positionieren, dass beim Aufschieben der Glasplatte möglichst wenig offene Fläche entsteht und damit geringe Fluchtmöglichkeiten für die Ameisen (Abb. 1 zeigt leider keine optimale Variante). An eine noch freie Stelle, möglichst in der Mitte, kommt die Befeuchtungskammer, gebohrt mit einem 20 mm Forsterbohrer. Diese Kammer hat Verbindungen zum Labyrinth. Somit ist die Grundplatte fertig. Sie erhält einen Sperrholzrahmen, der verschraubt oder verleimt wird. Die Sperrholzquerleisten müssen mit der Oberfläche der Rigipsplatte abschließen. In die Längsseiten wird innen eine Nut so eingefräst, dass die eingeschobene Acrylglasplatte dicht über der Gipsplatte abschließt. Dort, wo die Befeuchtungskammer liegt, wird ein 2 mm Loch in die Glassplatte gebohrt. Hier erfolgt dann die regelmäßige Befeuchtung der Gipsplatte durch Zugabe von Wasser mit Hilfe einer Spritze. Für die Belüftung wird über einer der großen Kammern ein 20 mm Loch in der Glasplatte positioniert. Über dieses Loch kommt später feine Nylongaze, die mit einem Kupfer- oder Glasfieberring sauber auf die Acrylplatte verklebt wird. Somit ist die Luftzirkulation gewährleistet.
Schwierig stellte sich die Suche nach den Bewohnern da. Das ohnehin in der Literatur als nicht so leicht beschriebene Ausgraben von Lasius – Königinnen erwies sich als – zumindest im eigenen Garten und unter Zeitdruck – ergebnislos. Die beim Hochzeitsflug gefangenen Jungköniginnen und Männchen schienen unter Beobachtung auch nicht so richtig an Nachwuchs interessiert zu sein. Fündig wurden wir mit der für „Viecherologen“ gängigen Suchmethode: Jeden Stein am Wegesrand umdrehen. In der Nähe einer Streuobstwiese wurden aus einem Nest der Knotenameise Myrmica rubra zwei Königinnen und ein Dutzend Arbeiterinnen eingesammelt und in das Formikarium gesetzt.
M. rubra ist unsere häufigste Myrmica-Art. Sie besiedelt sehr unterschiedliche Habitate und ist in Gärten sehr häufig. Die Art ist polygyn und kann in sehr volkreichen Kolonieverbänden vorkommen.
Für die Fütterung des Völkchens haben sich immer neu aus Aluminiumfolie geformte Mini-Schälchen bewährt, die mit winzigen Portionen von Honig, Zuckerwasser, Ei, Obst oder Insekten gefüllt wurden. Mücken erwiesen sich als besonders geeignet, sowohl aus der Sicht der Verfügbarkeit für Futterwart als auch als scheinbar sehr beliebte Nahrung.

Wichtig ist, nie zu viel füttern, Futterreste regelmäßig entfernen (Schimmelgefahr!) und auch Wassertropfen auf Alufolieplättchen zur Verfügung zu stellen. Tränke und frische Mücken bieten sich auch an, um Bewegung in das Völkchen zu bringen, wenn es bei Veranstaltungen das Interesse bei Kindern wecken soll. Der Aufenthalt im Kühlschrank ist eine Möglichkeit, die Ameisen für wenige Tage ohne Fütterung zu halten, wenn sich keine geeignete Pension findet. War das Formikarium nicht im Einsatz, wurde es mit einem Tuch zugedeckt. Im September brachten wir die Ameisen an den Fundort, die Streuobstwiese, zurück.

Das Volk hat sich von April bis September ständig vermehrt, so dass wir den Kindern immer alle Entwicklungsstadien der Ameisen zeigen konnten: Eier, Larven, Puppen und adulte Tiere. Das Formikarium lässt sich sogar unter das Stereomikroskop stellen und ermöglicht so einen noch besseren Blick auf die Tiere. Aus den Reaktionen der Schüler und Lehrer kann man wohl schlussfolgern, dass Knotenameisen auf Grund ihres grazilen Körpers und den auffällig langen Fühlern als Sympathieträger für Insekten besonders geeignet zu sein scheinen. Die Fotos dokumentieren, welche interessanten Einblicke mit unserem Formikarium, das wirklich zur Not auch in der Handtasche passt, gewährt werden konnten.
Dateianhänge
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Abb. 5: Das Myrmica-Volk – als Nestkammer dienten eher die schmalen Gänge.
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Abb. 4: Eine Arbeiterin mit Eipaket, daneben Larven und Puppen
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Abb. 3: Larven und unterschiedlich weit entwickelte Puppen
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Abb. 2: Im Vordergrund eine Königin
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Abb.1: Das Rigips-Formikarium
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