Keine Brut?

Hier kann diskutiert und gefragt werden.

Re: Keine Brut?

Beitragvon Dralogos » 17. Aug 2020 07:00

Heyho,
Wie der Threadtitel schon sagt, habe ich ein Problem mit meiner noch recht jungen Formica cinerea-Kolonie bzw. bin mir nicht sicher, ob vielleicht auch normales Verhalten vorliegt.

Aber von Anfang an:
Meine Freundin und ich haben uns nach reichlicher Überlegung für eine Ameisenkolonie entschieden und grade für eine Formica spec., da die Koloniegröße überschaubarer bleibt, als bei Lasius niger.
Also gesagt, getan und Arena, sowie Nest angeschafft und die kleinen Krabbler um Stress zu vermeiden persönlich abgeholt. Leider konnte man uns nicht sagen, wie lange die Kolonie bereits aus der Winterruhe ist.
Naja, wie dem auch sei, zu Hause sind sie trotz verdunkeltem Reagenzglas dann recht schnell umgezogen und leben seit dem im Nest (ca. 2,5 Monate). Während dieser Zeit konnte ich die Aufzucht von gerade mal 2 neuen Arbeiterinnen beobachten, seitdem ist Schluss und es scheint keine Brut mehr zu kommen. Des Weiteren haben die Arbeiterinnen grade damit begonnen sich selbst im Invertzucker zu ertränken (vorher gar nicht, nun 2 Tote in einer Woche)...
Das Gipsnest hat einen Feuchtigkeitsgradienten und wird bei Raumtemperatur gehalten (was eigentlich genügen sollte). Die Arena ist artspezifisch recht trocken gehalten. Gefüttert wird mit abgekochten kleinen Steppengrillen, die ich sogar in kleine Stücke schneide, damit sie transportierbar sind. Ansonsten gibt es Wasser, Invertzuckerlösung und manchmal nen Tropfen Honig.

Nun macht mir das mit der fehlenden Brut langsam Sorgen... Da die Kolonie aber auch so 20 Arbeiterinnen stark ist, könnte ich mir vorstellen, dass sie in die Winterruhe wollen (allerdings fast 2 Monate zu früh und bei 25 Grad?). Ich weiß nicht wirklich weiter. Vielleicht hat ja hier jemand ne Idee.
Vielen Dank im Voraus.
Dralogos
newbie
newbie
 
Beiträge: 2
Registriert: 18. Jun 2020 09:27
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Re: Keine Brut?

Beitragvon derameisige » 17. Aug 2020 09:46

"...könnte ich mir vorstellen, dass sie in die Winterruhe wollen (allerdings fast 2 Monate zu früh..."
Genau so ist es! Formica-Arten überwintern ohne Brut. Die Königinnen legen erst wieder Eier, wenn sie eine ausreichend lange Winterruhe bei ausreichend niedrigen Temperaturen durchlaufen haben.
Der Plural bei "Temperaturen" steht bewusst: In der Natur gibt es keine 5-6 Monate bei konstant 10°C. In der Winterruhe sollte die Temperatur immer mal wieder geändert werden, und auch 0° unterschreiten,
abwechselnd mit bis zu + 10°C.
Auch in der warmen Jahreszeit gibt es bei uns immer wieder Perioden mit kühlerem (Regen-) Wetter abwechselnd mit höheren bis hohen Werten. Hält man die Tiere bei konstant hohen Temperaturen,
fehlen die Zeiten mit geringerer Aktivität, in denen auch Wachstum und Entwicklung der Larven verlangsamt werden. Das Ergebnis: Der normale Jahreszyklus zwischen Eiablage im Frühling und Beendigung
der Verpuppung mit dem Schlüpfen der letzten Arbeiterinnen wird verkürzt; das Volk ist reif für die nächste Überwinterung.
Wenn Du das Volk jetzt in kühlere Temperaturen bringst, und nach vielleicht 3-4 Wochen in die Kälte (Kühlschrank, später evtl. in kalten Keller oder Garage etc.), kannst Du die Überwinterung bis etwa
Februar-März ausdehnen. Danach langsam wieder an höhere Temp. gewöhnen. Dann wären sie wieder im normalen Jahreszyklus. Und in der wärmeren Jahreszeit halt immer mal auch für einige Tage kühler halten.
S.a.:
Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar

Hyperlinks sind nur für registrierte Nutzer sichtbar

http://www.ameisenportal.eu/viewtopic.p ... klus#p4167 (sehr aufschlussreich!)

Es lohnt sich, in den verschiedenen Foren in der Suchfunktion „Jahreszyklus“ aufzurufen!
derameisige
member
member
 
Beiträge: 490
Alter: 83
Registriert: 12. Jan 2008 18:18
Wohnort: Farmington and Michelstat
Land: United States (us)
Hat sich bedankt: 2 mal
Danke bekommen: 46 mal

Re: Keine Brut?

Beitragvon Dralogos » 17. Aug 2020 11:42

Also tippst du auch darauf, dass sie dieses Jahr vielleicht etwas zu früh geweckt wurden und jetzt gerne überwintern würden?
Ich hatte noch die Befürchtung, das irgendwas mit dem Nest nicht stimmt, aber ihnen scheint es darin eigentlich gut zu gehen (kann ja nun aber nicht lange nachgucken).
Ich werde die Tage mal etwas genauer das Fressverhalten beobachten. Wenn Sie in die Winterruhe wollen, sollte Ihr Proteinbedarf sinken und Sie weniger Futter eintragen, richtig? Sollte das der Fall sein, schau ich schonmal nach nem schönen Ort im Keller/Kühlschrank.

Vielen Dank schonmal.
Wie gesagt, wir sind noch recht neu in dem Hobby, haben aber versucht uns reichlich zu informieren. Nur habe ich mir dann doch etwas Gedanken gemacht, als das Verhalten sich änderte...
Dralogos
newbie
newbie
 
Beiträge: 2
Registriert: 18. Jun 2020 09:27
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Re: Keine Brut?

Beitragvon Kendoras » 8. Sep 2020 11:24

@derameisige:
Ein großes Dankeschön für Ihren Beitrag.


Guten Tag 'Dralagos',

Formica (Serviformica) fusca und Formica (Serviformica) cunicularia sind ebenfalls in diesem Jahr recht früh dran bei mir.
Trotz Raumtemperatur im Durchschnitt i.H.v. 24°C 55% rel. Lf. - minus Gips/Ytong-Nestblock - Temperaturabweichung durch Kondensat/Feuchtigkeit
an bestimmten Punkten im Nest. Schade, aber nicht unüblich.

Hingegen sind meine Kolonien von Formica (Serviformica) rufibarbis noch dabei Eier zu legen - meine Formica (Raptiformica) sanguinea Kolonien
ziehen die letzten Larven auf.

So unterschiedlich kann es laufen - Alle Arten stammen aus Deutschland und wurden selbstständig gefangen.
Formica (Serviformica) fusca, Formica (Serviformica) cunicularia, Formica (Raptiformica) sanguinea aus Norddeutschland.
Formica (Serviformica) rufibarbis aus Süddeutschland.

Trotz passender Beantwortung der Frage durch Herrn Prof. Dr. Buschinger möchte ich die Haltung näher betrachten,
denn es ist verwunderlich, warum eine 20 Individuen-starke Kolonie lediglich 2 Arbeiterinnen aufzieht.

Aus der langfristigen Erfahrung heraus: Ein häufiger Fehler ist das zu frühe Einsetzen von zu kleinen Kolonien in zu große Nester aus
Porenbetonstein (Ytong= ld. eine Marke), Gips, Kunststoff, Holz(...) - letztlich verkümmert eine zu kleine Kolonie, in einem zu großen Nest häufig.
Einzelne Arbeiterinnen trauen sich nur morgens oder späten Abend hinaus und tragen einen kleinen Bruchteil an Nahrung ein.
Abfall und Futterreste werden im Nest abgelegt. Die Arbeiterinnen hocken recht bewegungsarm auf / bzw. um der Königin herum.

Gründerinnen (Jungköniginnen) von Serviformica nehmen dankend Zucker-/Honiglösungen an
(0,05ml =>höheres Brutaufkommen tendenziell möglich bis 0,15 ml => stark geschwollener Gaster sollte vermieden werdenl) / also ein Bruchteil von 1 ml - daher für alle Mitleser:
-> Obacht bei der Rationierung, Pygmäen higegen können recht schnell ertrinken.
Meine Begründung liegt darin, dass die Arbeiterinnen versuchen möglichst viel aus dem Zentrum der ('Nahrungs-')Quelle zu trinken, wenn z.B. das Nest zu trocken ist - bzw.
Wasser nicht zur Verfügung steht. Dann verkleben, sich eindrehen und dann ersticken / bzw. verhungern / Energiearmut sterben - Dies konnte ich bei verschiedenen Ytong-Nestblock-Einheiten ebenfalls zum Ende eines Jahres feststellen. Gerade nach hitzigen Tagen.
Daher: Befeuchtung der Nesteinheit sicherstellen, um keine weiteren Verluste erdulden zu müssen. 1/3 - 1/4 wäre sinnvoll ,auch wenn keine Eier/Larven vorhanden sind.

Da aber Formica aber einer bestimmten Größe (9-15 Arbeiterinnen+) gern Insekten frisst - bzw. verwertet und süße Lösungen beinahe ignoriert, sofern Wasser vorhanden ist -
wundert es mich zusätzlich, weshalb keine weiteren Nachkommen groß gezogen worden sind.

Gut. Es scheint unterschiedliche Strategien zu geben. Ich habe eine recht monomorphe Formica (Serviformica) fusca in meiner Umgebung mit sehr großen, aggressiven und wehrhaften
Arbeiterinnen. Die gefangenen Königinnen hatten im Vergleich unterschiedlich große Arbeiterinnen. Manchmal 15 Pygmäen, manchmal nur 2-4 Arbeiterinnen der größten Morphe ' maxima '
und ein Teil davon wollte erst nach dem Winter richtig gründen.

Es gäbe auch eine andere Theorie, warum keine weiteren Nachkommen groß gezogen worden sind.
Hierzu müsste man wissen, ob die Königin überhaupt bereits eigene Eier gelegt hat - oder bereits vorhandene Larven/Puppen geschlüpft sind.

Mit freundlichen Grüßen
E V M


Tatsächlich hätte ich aber bei dieser Gelegenheit doch eine öffentliche Frage an @derameisige:
Überwintert Polyergus rufescens mit eigener Brut (-> Larven) oder ist diese Art aufgrund der Sklavenameisen (z.B. Formica (Serviformica) fusca)
ebenfalls so eingestellt, die zuletzt gelegten Eier noch vor Einbruch der tatsächlichen Winterruhe zu Arbeiterinnen groß zu ziehen?
Boro's Berichte aus dem Ameisenforum sagten darüber nie etwas aus.
Zuletzt geändert von Kendoras am 8. Sep 2020 11:41, insgesamt 6-mal geändert.
Benutzeravatar
Kendoras
member
member
 
Beiträge: 920
Alter: 30
Registriert: 3. Okt 2007 12:20
Wohnort: 21339
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 5 mal
Danke bekommen: 17 mal

Re: Keine Brut?

Beitragvon derameisige » 8. Nov 2020 16:28

@ Kendoras:
Tatsächlich hätte ich aber bei dieser Gelegenheit doch eine öffentliche Frage an @derameisige:
Überwintert Polyergus rufescens mit eigener Brut (-> Larven) oder ist diese Art aufgrund der Sklavenameisen (z.B. Formica (Serviformica) fusca)
ebenfalls so eingestellt, die zuletzt gelegten Eier noch vor Einbruch der tatsächlichen Winterruhe zu Arbeiterinnen groß zu ziehen?
Boro's Berichte aus dem Ameisenforum sagten darüber nie etwas aus.
- Sorry, das hatte ich überlesen!
Tatsächlich ist auch mir nicht definitiv bekannt, ob Polyergus mit Larven überwintert. Boro gräbt nie ein Nest einer derart seltenen Ameisenart auf,
und im Winter sind die Nester, wenn man sie nicht etwa markiert hat, einfach nicht zu finden. Ich habe wiederholt im Sommer Nester leicht angegraben,
um Studierenden auf Exkursion die beeindruckenden Tiere zu zeigen. Aber nie so tief, dass ich auf Larven gestoßen wäre (wozu auch? Im Sommer sind die ohnehin da).

Die Verwandtschaft von Polyergus zu Formica ist allerdings so eng, dass man eine Überwinterung von Larven wohl ausschließen kann.
Eventuelle Beobachtungen in der Haltung sind wenig hilfreich, aufgrund i.d.R. nicht nachvollziehbarer Temperatur-Regimes.

MfG,
derameisige
derameisige
member
member
 
Beiträge: 490
Alter: 83
Registriert: 12. Jan 2008 18:18
Wohnort: Farmington and Michelstat
Land: United States (us)
Hat sich bedankt: 2 mal
Danke bekommen: 46 mal


Zurück zu Formica - Diskussion und Fragen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast