Frage zum Verhalten der Ameisen

Hier kann alles zum Thema Ameisen diskutiert und gefragt werden.

Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Feyana » 1. Aug 2019 20:14

Heute war bei meinen kleinen Messors mal wieder Fütterung angesagt und sie haben eine frisch erlegte Fliege bekommen. Ich versuche ja immer, die so wenig wie möglich platt zu hauen, damit sie ziemlich unversehrt sind und schneide ihnen dann lieber den Kopf ab, weil die Biester ja resistenter sind als man meint. Ich habe da schon so manche Wiederbelebung erlebt und naja, ich brauche keine krabbelnde oder gar fliegende Fliege im Formicarium.
Also kurz gesagt, Fliege ohne Kopf (noch leicht zuckend) in die Arena gelegt und dann hieß es natürlich warten. Es hat schon ein paar Stunden gedauert, aber dann sind sie tatsächlich zu dritt über sie hergefallen... ne eigentlich eher zu zweit und deswegen auch meine Frage.
Also zwei Ameisen der Art Messor barbarus machen sich an der Fliege zu schaffen und eine schleppt Steinchen. Und zwar von der Fliege weg. Warum?

Bei Lasius niger konnte ich das gegenteilige Verhalten beobachten ... also draußen, denn die halte ich ja nicht. Wenn die ein großes Stück Beute haben, was sie nicht so schnell in den Bau schleppen können, dann versuchen sie es mit Steinen oder auch Pflanzenteilen/Halmen/Stöckchen abzudecken, damit sie es vor anderen verstecken können. Vollkommen verständlich. Doch warum trägt die Messor barbarus die Steine weg? Versucht sie die Beute zu vergraben? Allerdings wäre das komisch, denn sie holt nie die Steine direkt an der Fliege, sondern hält immer einen Abstand von 4-7 mm würde ich schätzen. Weit läuft sie mit den Steinen auch nicht weg. Sie legt sie meistens nach 3-6 cm wieder ab. Aber sie macht das stetig und ohne Unterlass. Also wird schon ein Plan dahinter stecken. Nur welcher? Hat da jemand eine Ahnung?

Würde mich wirklich freuen, Bescheid zu wissen. Vielen Dank.
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Abmeise » 1. Aug 2019 21:44

Hallo, Erklärungsversuch:
Das könnte eine Übersprungshandlung sein. Die Steine schleppende Arbeiterin spult ein Programm ab, das im Inneren verankert ist, wahrscheinlich genetisch.
Schritt 1: Die Kolonie hat Hunger.

Schritt2: Eine Arbeiterin furagiert, sucht Futter

Schritt3: Findet fressbares.

Schritt4: Rekrutiert, sagt den Anderen Bescheid.



- die Steine schleppende Arbeiterin ist nun informiert und motiviert
Schritt1: Sie folgt der gelegten Duftspur bis zur Futterstelle.

Schritt2:Die Beute wird gefunden.
Schritt3: Die Beute muss zerlegt werden
Problem bei Jungkolonien, sie sind vorsichtig/ ängstlich, vielleicht schafft sie es auch nicht, als Pygmäe. Es fehlt der Soldat der Sicherheit bringt und die Beute zerteilt. Sie selbst steckt in ihrem Ablaufprogramm fest. Sie muss zerteilen, um zum nächsten Schritt4 zu gelangen, dem Beuteabtransport ins Nest.

Schritt4. Nichts wurde zerteilt, die Beute kann nicht ins Nest befördert werden= Übersprunghandlung Schritt4 der Abtransport muss vollzogen werden. Sie nimmt einen Stein. Sie erkennt es als falsch, trägt ihn nicht ins Nest, legt ihn wieder ab und beginnt wiederum mit Schritt 1 Aufnahme der Duft spur bis zur Beute. Es folgt eine Art Endlosschleife. Der perfekte Roboter, funktioniert wenn die Kolonie intakt ist, ohne Soldaten bei Jungkolonien kommt es zu diesen Phänomenen.
Nicht ganz passendes Beispiel, Du sollst eine rotglühend aussehende Herdplatte anpassen, bekommst 5000 € dafür. Du machst es. Du wirst sie nur ein Bruchteil einer Sekunde anfassen. Warum? Ein Programm läuft ab, du meinst zu wissen was passiert. Es ist Farbe gewesen, sie war kalt und alle lachen. :D
Gruß
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Feyana » 2. Aug 2019 06:39

Vielen Dank für die tolle Erklärung. Sie hat das auch wirklich nur so lange gemacht, wie die anderen mit dem Zerteilen und dem Abtransport beschäftigt waren. Als diese aufgehört haben, ist sie auch verschwunden.
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Abmeise » 2. Aug 2019 12:52

Hallo, zur Richtigstellung: Messoren habe Majore keine Soldaten :oops: Lerne selbst noch.
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Serafine » 2. Aug 2019 13:24

Für den Begriff Soldat gibt es keine echte Definition. Üblicherweise werden damit die größeren Arbeiterinnen bei di- oder trimophen Ameisen wie Pheidole beschrieben oder spezielle Morphe (die oft auch spezielles Verhalten zeigen) wie die Stöpselköpfe bei Colobopsis und die patrouillierenden Riesenmorphe bei Atta - allerdings gibt es auch Studien mit Pheidole in denen komplett aus Majoren bestehende Gruppen erfolgreich Brut aufgezogen haben (die Studie wollte Rückkopplungsmechanismen bei der Kastendetermination nachgehen und tatsächlich schlüpften aus dieser Brut fast ausschließlich Minore).

Bei polymorphen Arten wie Camponotus und Messor ist das ganze etwas schwieriger, da es keine Kastengrenzen gibt und auch die Verhaltensmuster fließend sind. Aus eigener Beobachtung kann ich aber sagen, dass sich die Majore bei meinen Camponontus barbaricus auch definitiv anders verhalten als die Minore und die mittelgroßen Arbeiterinnen (es gibt zwei Sorten, die "Wächter/Soldaten" und die "lebenden Vorratslager", das ist aber bei Arten wie Pheidole genauso). Besonders gut sieht man das wenn die Ameisen aufgescheucht sind - die Minore rennen dann wie wild durch die Gegend, während die Majore eine Art Stop-Motion-Bewegung praktizieren, bei der sie ein paar Schritte gehen, dann in 360° das Umfeld abtasten und anschließend wieder ein paar Schritte gehen. Die Minore zeigen dieses Verhalten überhaupt nicht (ebenso wie die "Vorratslagermajore", die sofort in Richtung der nächsten Deckung wegrennen). Auch "zielen" die Majore vor einem Biss viel vorsichtiger, während sich die kleinen und mittleren Arbeiterinnen teils geradezu auf die Beute katapultieren - und die Majore ignorieren in der Regel bereits tote Futtertiere, die von Minoren noch heftig attackiert werden.
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Abmeise » 2. Aug 2019 13:43

Ich find Dich echt gut =D>
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Feyana » 3. Aug 2019 20:17

Oh wow. Das ist total spannend. Vielen Dank für deine Ausführungen.

Trotzdem kam mir das Verhalten dieser einen Ameise "falsch" bzw. ohne Sinn vor. Soldaten haben die Messors nicht, das stimmt. Aber dennoch war diese eine Ameise ein wenig kleiner als die anderen. :-k

Ich habe das ja sogar gefilmt, aber leider weiß ich nicht, wie ich das hier "hochladen" kann. Die Erklärung, dass sie einen "Fehler im Programm hat" hörte sich für mich sehr schlüssig und logisch an. Und ich denke, dass sie eine der ältesten Arbeiterinnen (reine Vermutung) meiner Mini-Kolonie ist. Aber ich werde weiter beobachten und wenn nochmal so was auftritt, melde ich mich.

Allerdings gab es heute mal wieder Spinne, die schneller im Nest verschwunden war als ich gucken konnte :lol: Hat keine 10 Minuten gedauert, weswegen ich davon nicht mal was mitbekommen habe.

Ja, sie können flott sein :mrgreen:
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Re: Frage zum Verhalten der Ameisen

Beitragvon Abmeise » 4. Aug 2019 06:24

Hallo, als einen Fehler im Programm würde ich es nicht bezeichnen. Es ist das Programm selbst. Es ist ein Notfallplan, um aus einer festgefahrenen Situation wieder herauszukommen. Es ist dein Resetknopf am Computer. Du drückst ihn nicht gerne, in der Not selbst, weißt Du aber er hilft. Er bringt dich heraus, und kappt alle Verbindungen ob gute oder schlechte, das ist der Preis, den Du zu zahlen hast und Du weißt es. Den Stein zu nehmen, um aus dieser festgefahrenen Situation auszubrechen, ist ihr Preis. Fährt dein Computer erneut hoch, bist Du ganz weit weg, von der einstigen Bedrohung. Das Problem deiner kleinen steinen schleppenden Ameise, sie trifft so fort auf die gelegte Pheromon Spur, dort gibt's Futter, Du musst Suchen, Zerteilen und Eintragen. :wink:

Betreff: Camponotus Nicobarensis nachtaktiv? Ob Tag oder Nacht immer sind einzelne Ameisen außerhalb des Nestes anzutreffen, wenn sie was fressbares finden, tragen meine auch ein, ob hell oder dunkel. Schreibe hier, wollte den HB nicht unnötig zu kleistern. :mrgreen:
Mfg. Denny
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