Pheidologeton Koloniestruktur

Hier kann diskutiert und gefragt werden.

Beitragvon earlant » 26. Mär 2006 09:31

Sehr geehrter Herr Kalytta,

Vielen Dank für diese Informationen. Damit ist meine Frage beantwortet:

Große polygyne Kolonien wurden auch aufgeteilt, da man sie nicht in einem Behälter transportieren kann.

Das erklärt die Anwesenheit von Soldaten auch in den von Ihnen verkauften kleinen Kolonien. Und es erklärt, dass Königinnen und Arbeiterinnen vielfach problemlos zugesetzt werden konnten, auf jeden Fall so lange sie aus derselben großen Kolonie stammten. Bei Arten mit Superkolonien (Waldameisen, Myrmica rubra und anderen) geht das oft sogar zwischen weit getrennten, separaten Kolonieverbänden, wenngleich nicht immer. Auch die invasive Linepithema humile an den Mittelmeerküsten ist ein gutes Beispiel: Da handelt es sich um eine riesig Einheit, innerhalb derer jede Kombination möglich ist, aber zu einer zweiten, ebenfalls großen Einheit, die innerhalb des Areals der ersten eigene, separate Populationen bildet, herrscht „Feindschaft“. Ausgetestet wurde dies durch alle möglichen Konfrontationen von Ameisen aus 33 jeweils über ca. 5 km getrennten Sammelorten (eine riesige Anzahl von Tests!). Ich hatte darüber berichtet: “Ameisen-Superkolonie beherrscht Europa”. Ameisenschutz aktuell 17, 44-46, 2003.

Wenn es dem wissenschaftlichem Interesse dienlich ist, könnte ich gezielt Kolonien aus verschiedenen, weiter entfernten Verbreitungsgebieten besorgen lassen und damit erneut eine Fusion dieser Populationen hier in Deutschland zu tätigen.

Vielen Dank für das Angebot, aber so etwas kann nur an Ort und Stelle untersucht werden (vgl. unsere Untersuchungen an Polyrhachis lama in Java. Bezüglich ihrer Parasitierungs-Strategie fiel bei mir der Groschen sogar erst während der Arbeiten an P. loweryi in Australien).
Bei Pheidologeton reichen ein paar Tests im Labor nicht aus (siehe das Beispiel Linepithema). Weiterhin wissen Sie ja, dass ich die Einfuhr und Verteilung ausländischer Ameisen in Europa aus verschiedenen Gründen mit sehr großer Besorgnis beobachte. Da möchte ich natürlich nicht gerade, dass diese Aktivität auch noch auf meine Veranlassung hin gesteigert wird. (Am Rande: Im Ameisenwiki baue ich zurzeit einige Artikel über Ekto- und Endparasiten von Ameisen ein. Dies als Hinweis für Leute, die keinerlei Vorstellung davon haben, was es da alles gibt und wie es aussieht, und die nicht in wissenschaftliche Zeitschriften sehen mögen).

Trotzdem, dass Pheidologeton zu den Treiberameisen (Army ants) gerechnet wird, ist sie zu einem großen Teil auch Ernteameise

Gehört eigentlich hier nicht dazu, aber um die weitere Ausbreitung einer Fehlmeinung zu begrenzen: Die wissenschaftlich korrekte Aussage ist, dass sich bei Pheidologeton einige Verhaltensmuster finden lassen, die auch zum Verhaltenskomplex der Heeres- oder Treiberameisen gehören. Andere sehr wesentliche Eigenschaften aus diesem Komplex allerdings fehlen (dichthadiigyne Königinnen, Monogynie, die spezielle Form der Koloniegründung, der zyklische Wechsel des Nistplatzes, rhythmische Brutaufzucht, usw.). Pheidologeton zu den Army ants zu rechnen entspricht somit nicht dem Stand der Wissenschaft.

Nochmals vielen Dank und beste Empfehlungen,
Earlant
Benutzeravatar
earlant
member
member
 
Beiträge: 639
Registriert: 23. Okt 2005 19:49
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Beitragvon gerhard » 27. Mär 2006 23:16

gerhard hat geschrieben:Trotzdem, dass Pheidologeton zu den Treiberameisen (Army ants) gerechnet wird, ist sie zu einem großen Teil auch Ernteameise


Hierzu möchte ich nur ganz kurz berichtigend erwähnen, dass es mir klar ist, dass Pheidologeton zu den Myrmicinen gehört und sich im Verhalten von den typischen "Army ants" , wie Dorylus, Eciton usw. unterscheidet, was ich ja auch in meinem Beitrag erwähnt hatte im Zusammenhang mit dem Verhalten
von Pheidologeton sich zu einem großen Teil auch von eingetragenen Samen zu ernähren.
Prof. Hölldobler berichtet in "the Ants" unter dem Abschnitt "The Army Ants"
Seite 573-595 unter anderem von dem Jagdverhalten der "Army ants".
Hierbei wird auch Pheidologeton diversus beschrieben mit gleichem Jagdverhalten wie Eciton und Dorylus.
Bei Anfragen zu Pheidologeton diversus hatte ich auch des öfteren auf die eben zitierten Unterschiede zu Eciton, Dorylus usw. hingewiesen.

Damit hoffe ich dieses "Missverständnis" richtiggestellt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Kalytta
Benutzeravatar
gerhard
member
member
 
Beiträge: 92
Registriert: 27. Okt 2004 13:31
Wohnort: Boppard
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Beitragvon Benjamin K » 27. Mär 2006 23:56

(Bitte löschen)
Zuletzt geändert von Benjamin K am 18. Jan 2007 00:01, insgesamt 1-mal geändert.
Benjamin K
member
member
 
Beiträge: 32
Alter: 42
Registriert: 15. Dez 2002 12:47
Wohnort: Rheinland-Pfalz
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Beitragvon TheSummiter » 28. Mär 2006 11:20

Ich möchte auch nochmal dazu sagen das in meiner Kolonie 3 Königinnen bisher leben und diese nicht zusammen gekauft, sondern erst nachträglich zusammen gesetzt wurden. Und ich habe vor noch 3 bis 4 zusätzliche Königinnen zu integrieren und dadurch evtl weibliche Geschlechtstiere zu bekommen. Ich werde dafür ein großes Zweignest bauen und es mittels Schlauch an die jetzige Kolonie anschließen.
Dieses Vorhaben ist möglich da man beliebige Pheidologeton diversus Königinnen untereinander austauschen kann ohne das es Probleme gibt.
Benutzeravatar
TheSummiter
member
member
 
Beiträge: 352
Alter: 42
Registriert: 17. Jul 2005 19:51
Wohnort: Münster
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Beitragvon earlant » 29. Mär 2006 17:16

Nun hat sich an einem Satz wieder mal eine Nebendiskussion entzündet: (25.03.06)
„Trotzdem, dass Pheidologeton zu den Treiberameisen (Army ants) gerechnet wird“

Ich hoffe, es wird zur Kenntnis genommen, dass dieser Punkt von Herrn Kalytta in die Diskussion geworfen wurde, obwohl er m.E. mit dem eigentlichen Thema hier, Koloniestruktur, nicht viel zu tun hat.
Ich möchte die weitere Diskussion dazu in einen eigenen thread auslagern, um nicht allzu weit vom Thema hier abzugehen (> „Pheidologeton: Treiberameise, army ant, oder?“). Interessant ist auch jene Diskussion.

Zurück also zur Koloniestruktur: Am 25.03.06 schreibt Herr Kalytta:
„Die Pheidologeton-Kolonien und Königinnen, welche ich seit letztem Sommer(und davor) abgebe, stammen aus Mitteljava aus verschiedenen Plantagen.
Große polygyne Kolonien wurden auch aufgeteilt, da man sie nicht in einem Behälter transportieren kann.“

Zur ausführlichen Interpretation verweise ich auf meinen post vom 25.03.06.
Kurz gefasst:
Die relativ kleinen Kolonien, die Herr Kalytta verkauft, sind nicht entsprechend junge, vor kurzem gegründete, mit jungen Königinnen, sondern es sind nach seinen eigenen Worten künstlich erzeugte Ableger aus großen, polygynen Kolonien, mit Königinnen unbestimmten Alters.
In solchen sind Soldaten enthalten, und möglicherweise auch bereits determinierte Geschlechtstierbrut. Somit ist es weniger erstaunlich, wenn von Haltern über die Aufzucht von Geschlechtstieren bereits in kleinen Kolonien berichtet wird.
Spekulationen über „Pygmäen“, die auch zu lesen sind, sind damit müßig.
Und wenn Königinnen, die ursprünglich derselben großen Stammkolonie entstammen, später einem anderen Ableger aus derselben Kolonie zugesetzt werden können, so ist das auch nicht überraschend.

Herr Kalytta schrieb leider nichts darüber, ob er bei den einzelnen Lieferungen Buch führt und auch die entsprechenden Informationen von seinem Lieferanten in Java bekommt (etwa: "Behälter # 17, aus Naturkolonie B von Farm X"; "Behälter # 24, aus Naturkolonie D von Farm Y ", usw.). Das wäre vielleicht sogar ratsam, denn dann könnte er jeweils zuverlässig passende Zusatzköniginnen liefern.

Wir wissen auch (noch) nichts darüber, ob es überhaupt eine selbständige Koloniegründung durch einzelne Jungköniginnen bei P. diversus gibt. Das ist bei stark polygynen Arten nicht unbedingt der Fall, oder es kann neben Wiederaufnahme begatteter Jungköniginnen und nachfolgender Kolonieteilung m.o.w. selten vorkommen. Von unseren einheimischen Myrmica rubra eine gründende Jungkönigin zu finden (die gibt es definitiv), ist ein seltener Glücksfall. Wie es überhaupt schwierig ist, von einem „Volk“ etwa unter einem Stein zu sagen, ob es das komplette Volk ist, oder nur Teil einer Superkolonie, die sich über 20 oder 30 Quadratmeter erstreckt.

Betr. DNS-Analysen hat Gorilla (28.3.06) ja bereits das Richtige gesagt. Das geht nicht im häuslichen Kellerlabor, es kostet unglaublich viel Geld, und man muss es auch noch können!
Was Benjamin K. sagt, geht im Prinzip durchaus, aber jemand muss es bezahlen, und jemand muss es machen können. (Ein Beispiel: Um in die taxonomisch wirre Tetramorium caespitum-T. impurum-Gruppe Licht zu bringen, wurden zahlreiche Proben quer durch Europa gesammelt. In Wien wird die DNS extrahiert und angereichert (amplifiziert); dort hat man die nötigen Geräte. Dann werden die – viele Hundert! - Proben an ein Institut in Mainz geschickt, wo man die DNS sequenziert; gegen Bezahlung, es ist ein privates Unternehmen. Die Sequenzdaten gehen dann per e-mail wieder nach Wien, wo man Computer mit speziellen Auswertungsprogrammen damit füttert. Heraus kommt eine Art „Stammbaum“, wonach die Proben bisher so etwa 6-7 Gruppen zugeordnet werden können. Wenn man so will: 6-7 Arten, die recht wahllos mal mit „impurum“, mal mit „caespitum“ bezeichnet werden. Das Ergebnis ist noch offen).

So, damit ist dieses Thema m.E. abgeschlossen. Es sei denn, Herr Kalytta könnte uns noch ein paar weitere Einzelheiten mitteilen.

Gruß,
Earlant
Benutzeravatar
earlant
member
member
 
Beiträge: 639
Registriert: 23. Okt 2005 19:49
Land: Germany (de)
Hat sich bedankt: 0 Danke
Danke bekommen: 0 Danke

Vorherige

Zurück zu Carebara - Pheidologeton - Diskussion und Fragen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste