Hallo allerseits,
seit kurzem bin ich stolzer Besitzer einer Odontomachus spec. Kolonie. Diese habe ich relativ spontan von einem privaten Halter erworben. Ich hatte bereits vor der Kaufentscheidung ein tropisch eingerichtetes 40x30-Becken rumstehen, was ich eigentlich meiner Polyrhachis dives Kolonie als Erweiterung anbieten wollte. Da diese aber noch längst keinen Platzmangel hat und das Becken nicht so recht angenommen wurde als ich es für ein paar Tage angeschlossen hatte, habe ich mich entschieden es anderweitig zu nutzen.
Das Becken (siehe Bilder) hat als Substrat ausschließlich Terrarien-Humus. Die Temperatur ist tagsüber auf knapp 25 °C und sinkt nachts auf ca. 20 °C ab. Geheizt wird mit einer Halogen-Schreibtischlampe die man Wahlweise auf 35 und 50 W stellen kann. Ich betreibe sie im Moment mit 35 W.
Ich verwende den offenen Deckel von Antstore und habe über der Öffnung eine 30x20 Plexiglasscheibe liegen. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 70 bis 75 % wenn der Deckel geschlossen ist. Man kann sie theoretisch regeln indem man die Plexiglasplatte verschiebt, so dass sich ein Luftspalt variabler Größe bildet.
Prinzipiell ist ein Ausbruchsschutz nicht notwendig, da diese Art keine Scheiben erklimmen kann. Dennoch bevorzuge ich es das Becken möglichst geschlossen zu halten, denn die Ameisen können mittels ihrer Mandibeln springen. Ich konnte dieses Verhalten allerdings noch nicht beobachten.
Ein Nest wie z.B. einen Ytong-Stein habe ich nicht vorgesehen. Ich neige eher zu natürlichen Varianten und verzichte dafür auch gerne auf einen Einblick ins Nestinnere. Gerade das Nestbauverhalten der verschiedenen Arten ist meiner Meinung nach interessant zu beobachten. Ich hoffe sie bauen unter bzw. in einer der Wurzeln ein Nest, so dass ich das Reagenzglas möglichst bald entfernen kann.
=== Tag 1 === (2008-04-22)
Die Kolonie kam heute gut verpackt mit Heatpack an und besteht im Moment aus ca. 15 Tieren und etwas Brut. Es gab keine Transportopfer.
Gegen 2100 Uhr habe ich das (mit Alufolie verdunkelte) Reagenzglas ins Becken gelegt und den Stopfen entfernt. Nach ca. 10 Minuten kam die erste Arbeiterin heraus, drehte eine kleine Runde und holte Verstärkung. Nach kurzer Zeit waren ca. 8 Arbeiterinnen am Erkunden der neuen Umgebung.
Ich habe ihnen einen Napf mit 3 verschiedenen Honig/Zucker-Lösungen sowie braunem Kandis angeboten. Der Kandis wurde angenommen und 2 Lösungen wurden mit Humus bedeckt, es wurde aber auch davon gefressen. Es scheint aber als habe diese Art auch Probleme mit der glatten Oberfläche des Futternapfes, so dass ich diese wohl demnächst mit Sandpapier aufrauen werde.
Proteintechnisch habe ich optimistisch eine Teboraupe angeboten, die natürlich sehr groß im Vergleich zu den Ameisen ist. Diese wurde schnell entdeckt und von bis zu 5 Arbeiterinnen gleichzeitig attackiert - jedoch relativ erfolglos, so dass die Ameisen nach etwa 15 Minuten von ihr abließen. Man konnte gut beobachten wie sich die Ameisen bis auf Antennereichweite annähern, um dann zuzuschnappen. Dabei sieht man das zuschnappen nicht, sondern kann eigentlich nur feststellen, dass die Kiefer eben noch offen waren. Nach dem Zuschnappen, weichen die Ameisen sofort zurück um sich dann wieder anzunähern. Im Gegensatz zu manchen Beschreibungen konnte ich das Zuschnappen der Mandibeln nicht hören.
Ich habe gelesen, dass Odontomachus einen Giftstachel haben, konnte jedoch nicht beobachten, dass sie diesen im Kampf einsetzen.
Ebenso las ich von einem Panik-Verhalten bei dem die Ameisen bei Störung wild umher springen (mittels Mandibeln) um dann zuzustechen wenn sie auf dem Störenfried landen. Entsprechend hatte ich schon arge Bedenken, ob ich jemals wieder meine Hand in das Formicarium stecken kann und habe schon mit so einer 30-cm-Pinzette aus der Terraristik-Abteilung im Zooladen geliebäugelt. Zum Glück scheinen sich die Ameisen nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen, so dass ich auf diese Anschaffung wohl verzichten kann.
Die Teboraupe habe ich nach einer Weile wieder entfernt, da diese im Begriff war, sich einzugraben. Als Ersatz gab es eine abgebrühte Fliegenmade, die erst vor das Nest geschleppt wurde und dann drinnen verschwand.
Währenddessen waren die Ameisen schon eifrig dabei den Eingang mit Humus zu verschließen. Erstaunt hat mich dabei, dass die Ameisen aus allen möglich Ecken des Formicariums Humus herbeigeholt haben, obwohl ja der ganze Boden daraus besteht, es also überflüssig ist ein Stückchen aus der hintersten Ecke zu holen.
Interessant ist auch das handwerkliche Geschickt, dass die Ameisen beim bauen zeigen. Die Ameisen benutzen ihren sehr beweglichen Kopf um die Humusstückchen in die bereits bestehende Anhäufung einzuarbeiten. Dabei drehen sie den Kopf nach links und rechts und drücken das Bauteil dabei nach vorne.
=== Tag 2 === (2008-04-23)
Zu meinem Erstaunen hat sich vor dem Reagenzglas ein recht ansehnlicher Hügel aus Humus gebildet, der von der Spitze einen Gang zum Reagenzglas beinhaltet. Das ist deutlich mehr, als zum Verschließen des Eingangs nötig wäre. Möglicherweise erweitern sie ihr Reagenzglasnest auf diese Weise.
Parallel zu dieser Baustelle entsteht in einem Loch in einem Stück Wurzelholz ein Humuswall, dort könnte ebenfalls ein Nest gebaut werden. Vielleicht gibt es bald einen Umzug und das Reagenzglas kann verschwinden.
Die Fliegenmade von gestern lag heute (nunmehr schwarz) vor dem Nest. Fragt sich, ob sie davon gefressen haben oder nicht.
Später habe ich noch eine Made gereicht, die spurlos verschwand.
Am Ende des Tages ist der Haufen vor dem Reagenzglas schon deutlich gewachsen und hat 2 Eingänge.
Ein abgebrühtes Heimchen mittlerer Größe wird mit Interesse beäugt und von 4 Arbeiterinnen Richtung Eingangshügel gezerrt.
=== Tag 3 === (2008-04-24)
Der Hügel wächst weiter. Zusätzlich wurde das Loch in der Wurzel vollständig verschlossen. Es scheint auch als entstünden noch anderenorts Gänge im Boden.
Es handelt sich wirklich um eine sehr agile und schön zu beobachtende Art.
Das Heimchen von gestern Abend wurde scheinbar nur seiner Beine entledigt und dann wieder ein Stück weit vom Nest entfernt liegen gelassen. Ich frage mich ob diese Art einen Abfallhaufen anlegt oder nicht.
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Das Heimchen wurde in den Bau gezogen. Der Haufen wächst weiter, ein Gang dahinter im Boden (ohne Verbindung zum Nest) ist deutlich erkennbar.
...
Eine Wachsmottenlarve wurde heftig attackiert, so dass an den Stellen, wo die Mandibel zugeschnappt haben, Flüssigkeit austrat. Nach einer Weile ließen sie ab um später wieder anzugreifen bzw. von den Wunden zu trinken. Die Made wurde später in Nestnähe gebracht wo sie nun liegt.
Die leere Hülle vom Heimchen wurde neben das Nest gelegt.
Es wird weiter fleißig gebaut, auch nach der Nachtabsenkung der Temperatur.
=== Tag 4 === (2008-04-25)
Ich sollte langsam mal Bilder sortieren und den Bericht posten...
Den Futternapf mit den verschiedenen Honig/Zucker-Lösungen habe ich entfernt, da er teilweise schon in dem immer größer werdenden Haufen vor dem Reagenzglas verbaut war. Dies gelang ohne Schäden am Bau - doch klafft jetzt eine Lücke in der Basis des Hügels. Ich bin aber zuversichtlich, dass diese bald geschlossen wird.
Kurz bevor ich ins Wochenende fuhr habe ich noch 3 Heimchen im Nest verteilt.
=== Tag 5/6 === (2008-04-26/27)
Ich war am Wochenende weg, die Ameisen waren also auf sich gestellt.
=== Tag 7 === (2008-04-28 )
So, die Ameisen scheinen das Wochenende gut überstanden zu haben. Die Reste der 3 Heimchen habe ich verteilt an den Rändern des Beckens gefunden. Sie scheinen also keinen Abfallhaufen anzulegen, aber versuchen den Müll so weit wie möglich vom Nest zu entfernen.
Der Hügel vor dem Reagenzglas ist auch weiter gewachsen und die Löcher in der Wurzel sind vollständig mit Humus verschlossen. Ich bin mir nicht mehr sicher wo sie momentan hausen.
Doch ein Problem bahnt sich an: Schimmel. Dazu werde ich eine hoffentlich brauchbare Möglichkeit der Bekämpfung und hoffentlich Vorbeugung ausprobieren: Chinosol. Siehe dazu:
http://www.antstore.net/viewtopic.php?p=74114
Ich hoffe die Ameisen sind noch nicht umgezogen, so dass ich die eine Wurzel auch noch behandeln kann. Es macht aber den Anschein, als wäre dort eine bewohnte Nesterweiterung unter und in der Wurzel.
=== Tag 8 === (2008-04-29)
Bisher war bei angezeigten 70 % Luftfeuchtigkeit öfters starke Kondenswasserbildung zu beobachten. In der Nacht steigt die Luftfeuchtigkeit auch auf etwas über 80 %, da die Temperatur absinkt. Das Problem scheint vorerst gelöst indem ich einen Luftspalt im Deckel von ca. 1-2 cm Breite lasse. Das wirkt sich laut Anzeige fast gar nicht auf die Luftfeuchtigkeit aus, die Scheiben sind aber frei.
Die Ameisen scheinen jetzt auch auf dem Berg in der hinteren rechten Ecke zu bauen. Aber insgesamt hat die Außenaktivität ein wenig abgenommen, meist scheinen 2 außerhalb des Nestes (wo auch immer das ist) tätig zu sein. Als Nesteingang wird die Öffnung in dem Haufen vor dem Reagenzglas benutzt. Der Bau dieses Haufens scheint erstmal abgeschlossen.
Nachdem ich einige Tage keine Honig/Zucker-Lösung anbot habe ich einen Futternapf (den ich mit Sandpapier aufgeraut habe) mit Ahornsirup in das Becken gestellt. Dieser wurde aber bisher ignoriert. Ich bin mir aber auch nicht sicher ob er überhaupt entdeckt wurde, da die Ameisen immer daran vorbei laufen, wenn ich beobachte.
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Soweit hatte ich den Bericht jetzt schon geschrieben und wollte ihn jetzt auch langsam mal posten. Die Bilder folgen in kürze.
Sollte mir die Zeit nicht ausgehen werde ich den Bericht ähnlich detailliert fortführen, da es zu dieser Art nur wenig Informationen in Form von Haltungsberichten gibt.
Einen Diskussionsthread habe ich hier eröffnet:
http://www.antstore.net/viewtopic.php?p=74318