Flügelabwurf + Nestbau - Zeichen für erfolgreiche Begattung?

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Flügelabwurf + Nestbau - Zeichen für erfolgreiche Begattung?

Beitragvon Stefan_K » 12. Dez 2005 15:56

Flügelabwurf + Nestbau - keine Zeichen für erfolgreiche Begattung

Vermehrt liest man hier und da immer wieder, dass der Flügelabwurf und das folgende Nestbauverhalten ein sicheres Zeichen für eine erfolgreiche Begattung einer Königin seien. Dem ist nicht so - es gibt keinen einzigen sicheren Anhaltspunkt, ob eine Königin erfolgreich begattet wurde, außer, dass das Tier nach der Begattung weiblichen Nachwuchs 'produziert'. Nur dann kann man sicher sein, dass die Spermathek des Tieres entsprechend gefüllt ist, und die Begattung durch ein (oder mehrere Männchen) erfolgreich war.

Um dies zu untermauern, verweise ich auf Hölldobler (The Ants, S. 157 unten). Dort kann man lesen:

"The external trigger for wing shedding and histolysis is not exclusively insemination, as one might guess." Weiter heißt es: "When virgin queens of some species are taken from the presence of other queens, they drop their wings after about a day and begin to behave more in the manner of inseminated nest queens."

Das bedeutet, dass auch die Folgehandlungen einer Königin, die ihre Flügel abgestreift hat, nicht darauf schließen lassen, dass eine Begattung stattgefunden hat, noch dass eine Begattung überhaupt erfolgreich war. Flügelabwurf und Nestbauverhalten können allerhöchstens als ein Anhaltspunkt für eine eventuell erfolgreiche (oder erfolgte) Begattung verstanden werden.

Vielmehr kann das Flügelabstreifen und auch Folgehandlungen wie Nestbauverhalten als ein 'ablaufendes Programm' bezeichnet werden, welches allerdings nicht nur durch den Kopulationsakt ausgelöst werden kann. Sicherlich löst der Akt der Kopulation dieses Verhalten auch aus - dabei ist es aber völlig uninteressant, ob die Kopulation auch in einer 'Begattung' im wahrsten Sinne des Wortes endete, und Spermien abgegeben und in der Spermathek eingelagert wurden. Auch bestimmte Pheromone können dieses Programm auslösen, wie bei Hölldobler zu lesen ist.

Ein weiteres Zeichen für eine erfolglose Begattung kann sein, wenn eigene Brut durch die vermeintliche Königin aufgefressen wird, vorallem auch dann, wenn kein Mangel an anderen Futterquellen vorliegt. Wie Brian feststellte (Brian, M.V., "Treatment of male larvae in ants of the genus Myrmica", 1981), kann das Geschlecht des Nachwuchses schon im dritten Larvenstadium von Arbeiterinnen erkannt werden. Im Falle einer nicht erfolgreich begatteten Königin, welche in der vermeintlichen Gründungsphase nur männlichen Nachwuchs produziert, und dies schon im Larvenstadium feststellt, würde eine 'Beseitigung' des ausschließlich männlichen Nachwuchses durchaus plausibel sein, denn Männchen sind in der Gründungsphase nicht notwendig; im Gegenteil: sie kosten der neuen Kolonie nur kostbare Ressourcen. Siehe dazu auch Bourke, Andrew F.G., Franks, Nigel R., "Social Evolution in Ants", 1995.

Völlig ununtersucht sind diese Zusammenhänge bei einer Kopulation in Gefangenschaft - doch liegt es nahe, dass auf Grund der zu 100% nie künstlich reproduzierbaren Umweltbedingungen in Gefangenschaft viele Aspekte einer Kopulation, die in der Natur eine eher untergeordnete Rolle spielen, hier entscheidend für den Erfolg bzw. Misserfolg einer Begattung werden. Denn sicherlich sind vorallem auch die Umgebungsbedingungen sehr wichtig - abgesehen von eventuellen Pheromonwirkungen, die aber im Zusammenspiel mit allen anderen Bedingungen durchaus über den Erfolg einer Begattung entscheiden (gerade auch bei den sogenannten 'ursprünglichen' Ameisenarten wie Ponerinen und Myrmecia sind zahlreiche Studien verfügbar, die sich mit Pheromonen in Bezug auf Nachwuchsregulation und Rangkämpfe beschäftigen).

Vorsicht ist also geboten - produziert eine Königin nicht innerhalb einer absehbaren, für die Art typischen Periode weiblichen Nachwuchs, oder kommt es zu einer kontinuierlichen Vernichtung des eigenen Nachwuchs (in Form von Eiern, Larven, und Puppen), dann liegt die Vermutung nahe, dass die vermeintliche Königin nie begattet wurde, und das Flügelabstreifen sowie das 'Nestbau-Programm' und andere 'königin-typische' Verhaltensweisen durch andere Faktoren ausgelöst wurden. Vorausgesetzt, die Nest- und Futterbedingungen sind in Ordnung - wenn diese nicht stimmen, kann auch eine begattete Königin Probleme mit der Aufzucht des Nachwuchses haben. Ausserdem sollte einem bekannt sein, wie eine bestimmte Art gründet: claustral, halb-claustral, oder nicht claustral. Eine claustral und halb-claustral gründende Art sollte man in der Gründungsphase tunlichst nicht stören. Das bedeutet nicht, dass nicht claustral gründende Arten täglich gestört werden dürfen. Jede Störung bedeutet Stress und kann negative Auswirkungen haben.

Wie so oft bei der Ameisenhaltung: Geduld ist angesagt - doch wenn Geduld nicht hilft, dann können bestimmte Probleme andere Ursachen haben. :)

Gruss.
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