Pleometrose bei Lasius niger

Archivbeitrage aus den Unterforen "Einsteigerfragen" und "Diskussion und Fragen allgemein" aus den Jahren 2003 bis 2008.

Pleometrose bei Lasius niger

Beitragvon Markus » 16. Jun 2003 19:18

Vorab, es gibt schon einen Threat darüber im Amiesenforum, jedoch konnte ich dort nicht diese Seltsamkeit lesen, die mir jetzt bei meinem eigenen Versuch auffallen.
Dazu zuerst die Vorgeschichte, wie es dazu kam und wie es sich entwickelte:

Als ich meine ersten Königinnen nach einem Hochzeitsflug fing, steckte ich sie natürlich sofort in Reagenzgläser, zu gutmütig und unerfahren gab ich ihnen Statt Watte Zuckerwasser hinter die Watte.
Das Zeug fing natürlich an zu schimmeln und die Königinnen drohten zu sterben, also gab ich zwei in ein Ytongnest und den Rest in normale Reagenzgläser mit Watte und normalem Wasser.
Zuerst streiften die Königinnen voneinander getrennt in dem Ytongnest herum und wichen sich sogar aus, doch nach und nach gingen sie aufeinander zu (friedlich) dies verwunderte mich eigentlich schon, da ich zu Anfang den Königinnen und auch nur speziell diesen Puppen gegeben hatte, aus denen Arbeiterinnen geschlüpft waren.
Die Arbeiterinnen waren zwar recht inaktiv, jedoch konnte ich beobachten, wie sie beide Königinnen fütterten und sich die Königinnen in einer Kammer an's Eierlegen machten.
Einige Zeit später, der Winter war schon vorbei und es wurde allmählich wärmer, bemerkte ich, wie eine Königin aus dem Rg einfach ihre eigenen Eier immerwieder fraß.
Ich setzte das Problemkind zu den Ameisen in das Ytongnest, in der Hoffnung, sie lege bald Eier.
Aus der Hoffnung wurde zeitweise auch eine Art Furcht, dann die Arbeiterinnen drohten ihr nur mit offenen Mandibeln.
Ich wartete einige Zeit und als ich dann wieder "vorbeischaute" war auch sie integriert.
Sie wurde zwar von den Arbeiterinnen gefüttert, diese waren jedoch immernoch ihr gegenüber mistrauisch und ich konnte zu Genüge sehen, wie sie die Flucht ergriffen.
Nun ist einige Zeit vergangen, es ist deutlich wärmer und die Königin integriert, die Arbeiterinnen machen immer kleinere Bögen um sie und sie scheint das auch voll auszunutzen.
Denn vor ca. einer Woche habe ich Puppen derselben Art hinzugegeben und die Arbeiterinnen schafften diese prompt zu den zwei ersten Königinnen, welche auch schon einen beachtlichen Larvenberg zusammengelegt haben.
Die dritte Königinn war aber beim Abtransport immer so eifrig, sich Puppen zu klauen, wenn die Arbeiterinnen nicht da waren und diese für sich zu beanspruchen.
Die Arbeiterinnen nehmen sie ihr jedoch weg, genauso wie die Eier die sie fleißig legt.
Aber trotz den Puppen und trotz den von Anfang an vorhandenen Arbeiterinnen scheinen die zwei Königinnen sich zu dulden und die dritte wird akzeptiert.
Diese lässt das Stehlen übrigens immernochnicht, immer wenn die Arbeiterinnen die Puppen nach oben tragen wegen besseren Temperaturen und so versuch sie immer welche für sich zu beanspruchen.
Wie schon gesagt werden diese Puppen ihr immer weggenommen.
Auch habe ichgestern einen weiteren eingliederungsversuch gestartet und eine weitere Königinn hinzugegeben, wahrscheinlich wegen den hohen Temperaturen wurde sie aber agressiver behandelt als Nr. 3 und direkt mit Ameisensäure attakiert (die Nr. 3 war übrigens auch fleißig am austeilen, wenn sich die neuste aber bewegte, verkroch sie sich in ihrer Ecke) als die Königin so geschwächt war, dass sie nichtmehr gehen konnte, wurde sie bei lebendigem Leibe gefressen und liegt nun mit ausgehöhltem Hinterleib aber leider immernoch lebend in einer Vorratskammer (irgendwie tut sie mir leid, ich frage mich, wann die Arbeiterinnen ihr endlich den befreihenden Todesstoß geben :-( )
17. Juni, die Ameisen nehmen Futterinsekten an und schleppen diese in das Nest, die Königinnen jedoch haben sich verteilt, die Nr. 3 ist noch an ihrer obersten Stellung im Nest, die Nummern 1 und 2 jedoch scheinen sich getrennt zu haben, eine blieb bei der Brut und die andere erkundet das Nest.
18. Juni, die Königinnen haben sich wieder zusammengeschlossen, jetzt mehr denn je, sogar die Nr. 3 ist bei den anderen beiden in der Brutkammer heimisch geworden, sie sind seit Anfang der Woche mit der Brut einen "Stock" höher gezogen.
21. Juni, die Königinnen zeigen mehr oder weniger ein Wanderverhalten, momentan sind sie zusammen und manchmal verteilt auf 2 Kammern, die aber immer nebeneinander liegen, die Brut ist ebenfalls bei ihnen.
Nr. 3 war noch heute morgen in ihrer Lieblingskammer neben dem Eingang.
Da ich ihnen heute Zuckerwasser anbiete, wird dies auch sehr interessiert angenommen, jede Königin hat von einer bestimmten Arbeiterinn schon nindestens zwei "Ladungen" Zuckerwasser bekommen und die Brut ist auch schon größer.
Das bedeutet, dass eigentlich keiner bevorzugt wird.
22. Juni, sie sitzen momentan nur träge rum, ab und zu bemüht sich eine Arbeiterinn, Zuckerwasser zu besorgen.
15. Juli, eine Königinn wurde getötet, eine ist mit einer Arbeiterschaar und fast allen Larven in eine andere Kammer umgezogen.
16. Juli, wie zu erwarten ist die umgezogene auch getötet worden, sie wurde jedoch nicht in den Wassergraben versenkt, wie ihre Vorgängerin, sondern wird zu leckerem Larvenfutter verarbeitet.
17. Juli, nun habe ich auch die einfache Erklährung für diese doch kurzfristige Aktion, die ersten Pygmähen sind geschlüpft, vielleicht haben das die Arbeiterinnen irgentwie gerochen.
Ich werde die Kolonie jedoch weiter beobachten, es sind noch etliche Pygmähenpuppen und anscheinend noch Larven da.

Ich werde dies nun weiter beobacheten, ich bin gespannt, was passiert, wenn die Puppen schlüpfen.

Hat übrigens schon jemand anders so etwas beobachten können?
Zuletzt geändert von Markus am 17. Jul 2003 20:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Trajan » 17. Jun 2003 13:05

Also meine Ln Kolonie habe ich unter einem Stein gefunden.Ich dachte erst es wäre ne polygyne Art
da ich mehrere Königinnen unter dem Stein gefunden
hatte,doch wie sich herausstellte war es Ln.Also das fand ich sehr komisch!
Hat das vielleicht was mit der Geschichte zutun?
Was heisst eigentlich Pleometrose?
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Beitragvon Markus » 17. Jun 2003 17:34

Pleometrose ist, wenn mehrere Königinnen eine Kolonie gründen, ich habe aber oft gelesen, dass Lasius niger nie freiwillig zusammenarbeiten und man sie zwingen muss, zusammenzuarbeiten, was bei meinem Beispiel nicht der Fall ist.
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Beitragvon Trajan » 18. Jun 2003 12:26

Wie kann man sie denn zwingen?Aber bei dir respektieren sie sich doch!
Zuletzt geändert von Trajan am 18. Jun 2003 17:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Markus » 18. Jun 2003 17:19

Zwingen kann man sie schlicht, indem man sie zusammen in ein RG setzt und dies mit Watte zumacht, so haben sie keine andere Wahl. ;-)

PS, habe wieder ne vielleicht interessante Beobachtung gemacht, Editier ich dann aber lieber in den Beitrag rein.
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Beitragvon Trajan » 9. Jul 2003 13:08

Ich hab jetzt auch zwei Königinnen in die Pleometrose geschickt!Wobei die zwei sich sehr aus dem Weg zugehen scheinen!
Was ist eigentlich mit deinen?
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Beitragvon Markus » 10. Jul 2003 15:08

Da ich nichts Besonderes sehen konnte und sie immernoch friedlich zusammenleben, ist alles noch, wie vorher.
Wobei die ersten Pygmähenpuppen da sind und bei der Königinnenanzahl logischerweise ein großer Berg Larven da ist.
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Beitragvon gonzobey » 10. Jul 2003 16:30

Hallo Markus!

Konntest Du sehen ob beide Königinnen Eier legen, vielleicht wurde ja eine zur Arbeiterin degradiert und legt nun keine Eier mehr, das gibts ja auch bei Ameisen!

Aber auf jeden Fall ist das Thema interessant - bitte weitermachen (alle beide)!!!


Edit:
Original von Frank Mattheis, 10.07.2002
Bedeutung der primären Pleometrose bei einheimischen, selbstständig koloniegründenden Ameisenarten

"Die primäre Pleometrose wird als nicht selten begangener Weg zur Koloniegründung einiger einheimischer Ameisenarten beschrieben. Zum Beispiel wird diese Art der Koloniegründung, bei der sich mehrere Weibchen einer Art zur Koloniegründung zusammenschließen, für Arten wie Lasius niger und alienus, für verschiedene Arten von Servifomica, von Camponotus und Myrmica angeführt und beschrieben. Zur Untermauerung dieser Theorie werden Beobachtungen geschildert, die unter Bedingungen und Versuchsanordnungen entstanden sind, die wenig Ähnlichkeit mit den Bedingungen und Nischen haben, die die beobachteten Ameisenköniginnen im Freiland zur Koloniegründung auswählen und aufsuchen. So kommt es zu falschen Versuchsanordnungen und zu zwangsläufig fragwürdigen Resultaten.
So kann bei Lasius niger die Pleometrose nur künstlich, daß heißt unter den Zwang des Zusammensperrens zweier oder mehrerer Königinnen erzeugt werden und auch dann kommt es zu keiner wirklichen Pleometrose, die ja ein Zusammenarbeiten und gemeinsames Aufziehen der Brut umfasst. Sperrt man Königinnen dieser Art in ein Reagenzglas zusammen, werden sie danach streben, sich räumlich voneinander abzugrenzen, ganz so, wie sie es auch im Freiland tun würden und tun. Jede Königin wird danach trachten, ihre eigene Brut separiert aufzuziehen, infolge der mangelnden Abgrenzung kommt es zu Übergriffen, bei denen dominantere Königinnen den Schwächeren die Brut stehlen. Ist genügend Substrat im angebotenen Reagenzglas vorhanden, werden die Tiere getrennte Gründungskammern durch das Errichten von Zwischenwänden anlegen. Es kommt also bei Bedingungen, bei denen die Königinnen von Lasis niger die Möglichkeit der Wahl haben, niemals zu einer gemeinsamen Koloniegründung durch mehrere Königinnen. Eben diese Möglichkeit haben die koloniegründenden Königinnen im Freiland immer und so dürfte es kaum möglich sein, im Freiland Pleometrose bei Lasius niger, alienus, emarginatus oder brunneus nachzuweisen. Diese Arten sind allesamt streng monogyn, und echte Pleometrose ist nach meinen Beobachtungen für die meisten monogygen Ameisenarten auszuschließen. Es gibt Beobachtungen bei Lasius flavus, einer ebenfalls monogynen Ameisenart, die dies zu widerlegen scheinen. Ich habe selbst Versuche zur Koloniegründung dieser vorrangig unterirdisch lebenden Art gemacht und habe festgestellt, daß die jungen Königinnen dieser Art zu einer recht weitgehenden Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Koloniegründung fähig sind. Allerdings legten auch die Königinnen von Lasius flavus seperate Gründungskammern an, wenn sie Gelegenheit dazu hatten und bevorzugten ganz offensichtlich diese Art der Koloniegründung. Ähnliche Beobachtungen habe ich bei Tetramorium caespitum gemacht, auch die jungen Königinnen dieser ebenfalls monogynen Ameisenart können unter Versuchsbedingungen eine Kolonie in Zusammenarbeit gründen, jedoch kommt es auch bei dieser Art wie bei Lasius flavus mit dem Erscheinen der ersten Puppen und Arbeiterinnen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Königinnen, die auch hier damit enden, daß nur eine Königin übrigbleibt. Bei Lasius flavus wurde die endgültige Regelung der Monogynie meist durch die Arbeiterinnen übernommen und die überzähligen Königinnen wurden später durch diese getötet, bei Tetramorium caespitum begannen Kämpfe zwischen den Königinnen nach dem Verpuppen der ersten Larven, setzte ich in einem früheren Stadium den koloniegründenden Königinnen Puppen hinzu, begannen die Kämpfe zwischen den Königinnen sofort.
Für alle bisher erwähnten Ameisenarten schließe ich Pleometrose,also einen Zusammenschluß zweier oder mehrerer Königinnen zum Zwecke der gemeinsamen Koloniegründung und so zum gemeinsamen Vorteil, der ja wohl Sinn der Übung sein sollte, unter normalen Freilandbedingungen aus. Königinnen dieser Arten werden nie gemeinsame Brutkessel anlegen, wenn sie die Möglichkeit haben, allein Kolonien zu gründen. Auch sind natürlich die Ameisenköniginnen immer bestrebt, ihre eigene Nachkommenschaft aufzuziehen, dies gilt insbesondere für die Königinnen monogyner Arten.
Auch für einige Arten der Gattung Camponotus wird Pleometrose beschrieben. Alle einheimischen Arten dieser Gattung sind monogyn. Ich habe mich mit den Arten Camponotus ligniperda, C. herculeanus, C. vagus und C. fallax eingehend beschäftigt. Es gelang mir bei keiner der genannten Arten, zwei oder mehr Königinnen zu einer gemeinsamen Koloniegründung zu bewegen. Die großen und wehrhaften Königinnen von Camponotus versuchten ebenfalls, einander auszuweichen oder, bei bereits begonnener Nestbautätigkeit, die eingedrungene Konkurrentin zu vertreiben. Konnten sich die Tiere nicht ausweichen, kam es stets zu äußerst erbitterten Kämpfen, die unausweichlich mit den Tod eines der Tiere endete und oft mit schweren Verletzungen und Verstümmelungen der Siegerin. Ebenso wie bei den eingangs erwähnten Arten der Gattung Lasius wird es bei Camponotus im Freiland nicht zu Zusammenschlüssen mehrerer Königinnen kommen, die Königinnen dieser Arten ließen sich nicht einmal im Versuch auf Allianzen zur Koloniegründung ein. Somit kommt Pleometrose auch für diese Arten unter natürlichen Bedingungen nicht vor, und nur natürliche, möglichst artgerechte Bedingungen sind die Voraussetzung zu artgemäßen Verhalten der zu beobachtenden Tiere. Schließlich sollte es darauf ankommen, das Verhaltensrepertoire und die Strategien einer Art unter möglichst naturnahen Bedingungen zu beobachten und dokumentieren, um so einigermaßen realitätsnahe Schlußfolgerungen ziehen zu können. Dies muss auch bedeuten, daß die Ameisenköniginnen einander ausweichen können, wie ihnen dies ja im Freiland auch möglich ist, denn selbst ein scheinbar friedliches Nebeneinandersitzen zweier Ameisenköniginnen mangels Ausweichmöglichkeit ist noch keine Pleometrose.
Viele der zur selbstständigen Koloniegründung befähigten Ameisenarten Mitteleuropas leben in polygynen Kolonien. Hier finden sich auch Arten, deren Jungköniginnen zu wirklicher Pleometrose fähig sind. So finden sich junge Königinnen von Myrmica rugulosa oder M. rubra oft nach den Hochzeitsflug zusammen, um gemeinsam und arbeitsteilig eine Kolonie zu gründen. Hierbei kommt es manchmal zu Zusammenrottungen von bis zu einem Dutzend Jungköniginnen, die gemeinsam ein Gründungsnest anlegen. Die Arbeitsteilung zwischen diesen Königinnen geht später soweit, daß ein Teil der Königinnen arbeiterinnenähnliche Aufgaben übernimmt wie Nestbau und -verteidigung, Fouragieren etc. Diese Tiere übernehmen mit diesen Aufgaben die Versorgung der Kolonie bis zum Erscheinen der ersten Arbeiterinnengeneration. Bei diesen Knotenameisen habe ich die Koloniegründung durch mehrere Königinnen in Gemeinschaftsarbeit im Freiland oft beobachtet, bei diesen Ameisenarten ist die Pleometrose nach meinen Beobachtungen die Regel bei der Koloniegründung neben der riskanteren Möglichkeit, Einlaß in eine bestehende Kolonie der eigenen Art zu suchen.
Die ebenfalls polygynen Myrmica schenki gründeten bei meinen Versuchen ihre Kolonien immer einzeln, begattete Jungköniginnen zeigten sich ihresgleichen gegenüber äußerst unverträglich. Sie duldeten jedoch unbegattete Königinnen der eigenen Art, die dann nach kurzer Zeit ihre Flügel abwarfen und als funktionelle Arbeiterinnen agierten.
Versuche mit der ebenfalls polygynen Manica rubida, einer Art mit manchmal sehr großen polykalischen Kolonieverbänden, verliefen ähnlich wie bei Myrmica schenki. Ältere Königinnen, die ich etablierten Kolonien entnahm und die im weiteren Verlauf des Versuchs durchaus wieder Brutpflegeinstinstinkte zeigten und ihre Koloniegründungsfähigkeiten reaktivierten, verhielten sich freundschaftlich und arbeitsteilig zu anderen älteren Königinnen, auch wenn sie unterschiedlichen Kolonien entstammten. Junge Königinnen, die eben erst den Hochzeitsflug beendet hatten, waren jedoch unduldsam gegenüber anderen jungen Königinnen, sperrte ich die Tiere zusammen, kam es zu ernsthaften Kämpfen, so das ich die Tiere trennen musste.
Bei der ebenfalls selbstständig gründenden Serviformica fusca ist die Allianz mehrerer Königinnen zur Koloniegründung nicht selten, wird jedoch gegenüber der Vielzahl einzeln gründender Königinnen statistisch kaum ins Gewicht fallen. Nur selten werden sich junge Königinnen in der Phase, in der sie nach einen geeigneten Unterschlupf für die Koloniegründung suchen, begegnen und noch seltener werden die Königinnen in dieser dieser gefährlichen Phase ihres Lebens, in der die Tiere verständlicherweise äußerst furchtsam und vorsichtig sind, sich einer fremden Königin anschließen. Bei Serviformica fusca kommt Pleometrose im Freiland jedoch tatsächlich vor, wenn auch selten. Ein Umstand für die Fähigkeit der jungen Königinnen dieser ebenfalls polygynen Art zur Pleometrose ist die Tatsache, das, wenn man junge Königinnen dieser Art zusammensetzt, diese sehr schnell und ohne nennenswerte Aggressionen zusammenfinden und zu einer gemeinschaftlichen Koloniegründung schreiten. Meine fusca-Königinnen schienen zu einer wirklichen Allianz zusammengefunden haben, es kam in keiner Phase der Koloniegründung zu irgendwelchen Rangkämpfen, alle drei Königinnen schienen gleichberechtigt zu sein. Alle Königinnen beteiligten sich am Nestbau und an anderen Tätigkeiten wie der Brutpflege, alle Königinnen legten Eier und tauschten miteinander Futter aus. Auch nach dem Erscheinen der ersten Arbeiterinnen änderte sich daran nichts.
Bei der nahverwandten Serviformica cinerea, auch diese Art ist polygyn und bildet, anders als Serviformica fusca, gelegentlich riesige, polykalische Superkolonien, gelang der Zusammenschluß mehrerer Jungköniginnen nur unter Zuhilfenahme einiger Tricks und nur mit manchen, scheinbar toleranteren Königinnen. Meist verhielten sich die jungen Königinnen von Serviformica cinerea sehr intolerant und wichen einander aus. So scheint eine gemeinsame Koloniegründung durch mehrere Königinnen bei dieser Art im Freiland nicht vorzukommen, ich habe eine solche Anfangskolonie bei der im südlichen Brandenburg recht häufigen Serviformica cinerea auch nie gefunden.
Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Fähigkeiten einiger unserer unabhängig koloniegründenden Ameisenarten zur Pleometrose überschätzt werden, wohl besitzen manche Arten diese Fähigkeiten, haben jedoch unter Freilandbedingungen nur geringe Chancen, diese einzusetzen. Regelmäßige Pleometrose stellte ich bei einigen Myrmica-Arten fest. Unter glücklichen Bedingungen ist auch Serviformica fusca zur Koloniegründung durch den Zusammenschluß mehrerer, dann tatsächlich zusammenarbeitender Jungköniginnen fähig. Pleometrose kann sicher für weitere Arten angenommen werden, für die selbstständig gründenden, monogynen Arten der Gattungen Lasius und Camponotus halte ich diese Theorie jedoch für nicht tragfähig. Unter Laborbedingungen mag es möglich sein, Königinnen dieser Arten zu zwingen, in gegenseitiger Nähe und im Kontakt zueinander zur Koloniegründung zu schreiten, eine Zusammenarbeit der Tiere mit gemeinsamen Nestbau, gemeinsamer Aufzucht der gemeinsamen Brut und gegenseitiger Pflege mit Futteraustausch zwischen den beteiligten Königinnen wird bei diesen Arten jedoch nicht zustande kommen. Eine Ausnahme stellt Lasius flavus dar, diese Art ist in Gefangenschaft zur Allianzbildung bei der Koloniegründung fähig, nach erfolgter Koloniegründung wird jedoch nur eine Königin in der Kolonie geduldet. Man könnte dies als temporäre Pleometrose bezeichnen.
Wenn Ameisenköniginnen dieser Arten jedoch selbst in Gefangenschaft unter Zwang die Anwesenheit artgleicher Königinnen bei der Koloniegründung nur dulden, kann nicht davon ausgegangen werden, daß Pleometrose zum üblichen, normalen Verhaltensrepertoire dieser Arten gehört. Es muß darauf geachtet werden, daß nicht Fragestellungen und eventuelle Zielvorgaben von Experimenten ohne Hinterfragung und ohne vergleichende Freilandbeobachtungen als gesicherte Erkenntnisse zum Verhalten einer Art verkündet werden, wieder und wieder wiederholt werden und so zum scheinbar gesicherten Wissen werden.
Frank Mattheis"
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Beitragvon Trajan » 11. Jul 2003 13:18

Eine von Beiden ist immer am auf und ab gehen und die Andere ist ganz relaxt!Sie scheint das Reagenzglasleben zugenießen. :-)
Ich werde bald Nahrung anbieten und gucken ob sie sich beruhigen.Also wenn Königinnen degradiert werden können,dann sind sie ja die wahrscheinlich langlebigsten Arbeiterinnen! ;-)
Zuletzt geändert von Trajan am 11. Jul 2003 13:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Markus » 12. Jul 2003 08:02

Soweit ich das überblicken kann, legen alle drei Königinnen Eier, denn wie sollten sie sonst einen Eiberg legen an einem Tag, den meine Lasius nigerkolonie nicht in drei Tagen gelegt bekommt?
Jedenfalls übernimmt keine eine Arbeiterfunktion, sie hocken auf der Brut und lassen sich füttern.
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Beitragvon Trajan » 12. Jul 2003 09:04

Beide haben sich beruhigt!:-)
Blos die eine sitzt am Deckel und die andere am anderen Ende!Doch finde ich Eier nur am Deckel vor!
Werden Eier eigentlich immer an die feuchteste Stelle gelegt?
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Beitragvon gonzobey » 12. Jul 2003 16:42

Pleometrose bei Lasius niger ist nichts Neues, wurde wiederholt untersucht und bestätigt. Bei mehreren Jungköniginnen stellt sich sogar eine Hierarchie ein, d.h. eine bestimmte nimmt die Spitzenposition in der Rangordnung ein, sitzt z.B. bevorzugt mitten auf der Brut.

Unweigerlich kommt es bei allen bisherigen Versuchen spätestens beim Schlüpfen der ersten (eigenen) Arbeiterinnen, manchmal bereits nach Verpuppung der ersten Larven, zu Kämpfen, aus denen (meist) das ursprünglich dominierende Tier als Siegerin hervorgeht, die anderen werden umgebracht. So wird die Monogynie hergestellt.

Bisher m.W. nicht untersucht ist die Frage, was bei vorzeitiger Zugabe von Arbeiterinnen-Puppen zu einer Weibchengruppe geschieht:
a) fangen sie gleich an zu streiten? Ist die Anwesenheit der Puppen der Auslöser für die Monogyniesicherung?
b) oder "reift" das Verhalten der Jungköniginnen erst allmählich heran, so dass die Kämpfe erst zu der Zeit ausbrechen, wenn bei natürlicher Koloniegründung die ersten Puppen/ Arbeiterinnen zu erwarten wären?
c) oder entscheiden die Arbeiterinnen, dass und welche Königinnen "zuviel" sind und übernehmen deren Exekution?

Um solche Fragen zu beantworten, muss man den Dingen natürlich ihren Lauf lassen und darf dann nicht etwa weitere Veränderungen und Eingriffe vornehmen. Sonst lässt sich aus den Beobachtungen keine brauchbare Erkenntnis ableiten.

[Quelle: A. Buschinger]
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Beitragvon Markus » 13. Jul 2003 19:42

Ein [Quelle: A. Buschinger]-Fan, was? ;-)
Ich denke, es wäre vielen Forenbesuchern noch nützlicher, wenn du noch den Link dazuschreiben würdest.
Übrigens habe ich es jetzt schon dreimal probiert, mit der Puppenbeilage, das Verhalten war grundverschieden, manchmal nahm eine Königinn alle Puppen an sich, manchmal wurde der Puppenhaufen aufgeteilt und manchmal wurde gemeinsam darüber gewacht, ich schätze, dass das mit der Nestangehörigkeit ein bisschen zu tuhen hat.
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Beitragvon Andi » 13. Jul 2003 21:04

Hallo Leute,
ich hake mich mal ein in dieses Thema ein , da es mich echt sehr interessiert !
Meine beiden Queens Ln sitzen seit kurzen in trauter Zweisamkeit nebeneinander! Ich habe beobachtet das eine Queen ca. 15 Eier gelegt hat! Die Zweite leider nur zwei Eier!Die Queens sitzen entgegen anderen Beobachtungen schon von anfang an zusammen. Gefangen wurden sie am 08.07. ! Ich vermute das sie wirklich aus einen Nest kommen, da ich beide Queens an einer Stelle gefangen habe !
Gruß, Andi
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Beitragvon Trajan » 15. Jul 2003 19:20

@Andi:Cool!Und da waren es schon drei! :-)
Ich habe meine am Tag zuvor gefangen!
Also sie haben einen riesen Vorsprung vor den anderen Königinnen!(Was die gelegten Eier anbelangt!)
Ich hab heute nochmal drei Queens gefangen und sie in ein Tic Tac Döschen getan!Mal gucken ob sie gemeinsam die anderen in Sachen Eiern überholen!Bin echt gespannt! :-)
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